Ein Parteitag ist nicht der Ort, selbstkritisch
Einkehr zu halten. Ein bevorstehendes Wahljahr nicht der ideale
Zeitpunkt, um in Sack und Asche zu gehen. Insofern hätte Angela
Merkel ihr Publikum nur überraschen können, wenn sie in Hannover
nicht das Selbstbewusstsein zur Schau getragen hätte, das gestern an
ihr zu besichtigen war. Dass sie der erfolgreichsten Regierung seit
1990 vorsteht, nicht weniger als das sollen wir ihr glauben.
Und wenn Popularitätswerte ein Maßstab sind, so hat sie zu Sack
und Asche auch keinen Anlass. Trotz oder genauer gesagt wegen der
„turbulenten Zeiten“, aller Mäkelei der Opposition am Zickzack ihres
Euro-Kurses ungeachtet: Die Bürger vertrauen ihr. Die Überzeugung,
dass niemand sonst ein unentwirrbares Knäuel besser zu entwirren
vermag, ist das Kapital, von dem sie zehrt. Die Euro-Krise ihre
Chance.
Weniger kraftstrotzend steht ihre Partei da, deren einst fest
gefügtes Weltbild sich unter dieser Vorsitzenden verflüssigt hat. Aus
einer männerdominierten Traditions-Truppe ist ein nach allen Seiten
anschlussfähiges, Zeitgeist-kompatibles Gebilde geworden, in dem
heute die starken Frauen das Sagen haben.
Die Merkel–sche Umpolung der CDU – in Wahlerfolgen hat sie sich
freilich nicht ausgezahlt. Die Macht in den Ländern bröckelt. Mit
Karlsruhe ist jetzt eine weitere großstädtische Bastion nach 42
Jahren abhanden gekommen.
Was tun? Merkels fast 98 Prozent bei der Wiederwahl sind so
gesehen ein Akt der Kapitulation: Die CDU ergibt sich Angela der
Einzigen. Sie hat außer ihr nichts mehr, worauf sie setzen könnte.
Merkels Machtfülle – ein Anlass zur Sorge um ihre Partei.
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