Westfalenpost: Das Dilemma der Alarm-Hochrechnungen Von Andre Schweins

Das Schreckgespenst Altersarmut. Nein, nicht mehr
allein für Bürger mit Minijobs, Niedrigstlöhnen oder gebrochener
Erwerbsbiografie, wie es so schön bürokratisch heißt. Ursula von der
Leyen hat das Armutsrisiko in die Mitte unserer Gesellschaft gerückt.
Der seit vielen Jahren strapazierte Begriff der Versorgungslücke
erhält eine noch düstere Qualität.

Sicherlich gilt zu
beklagen, dass es bei vielen Beschäftigten an zusätzlicher privater
Vorsorge mangelt. Differenziert ist eine solche Betrachtung nicht.
Wer heute mit bescheidenen Mitteln nicht nur sich selbst durch das
Leben navigiert, sondern mit eigenem Nachwuchs der Vergreisung
unserer Gesellschaft begegnet, der kann auf absehbare Zeit aktiv die
Lücke nicht schließen, die sich mit Eintritt in das Rentenalter
öffnen wird.

Der Unterschied zwischen bescheidenster
Grundsicherung und dem verdienten Rentenlohn für ein engagiertes
Arbeitsleben muss erkennbarer sein. Das ist das Dilemma der
Alarm-Hochrechnungen. Von der Leyens Werben um die Zuschussrente
taugt als Initialzündung für eine Diskussion über Parteigrenzen
hinweg. Eine Lösung ist sie (noch) nicht. Wer heute nicht vorsorgen
kann, muss Teil solcher Rentenplanspiele sein. Wer heute privat
gegensteuert und spart, darf sich nicht übervorteilt fühlen. Das
Niederringen der akuten Armutsgefahr, es wird ein Ringen gegen die
Desillusion.

Die Gerechtigkeitsdebatte im Spannungsfeld
unterschiedlicher Lebenspläne wird das größte Kriterium für alle
Ideen bleiben. Der Kampf um einen Lebensabend in Würde fordert
Visionen. Die Diskussionen über die Betriebsrenten – weiteres
Standbein des Systems – werden dabei mehr Last als hilfreich
sein.

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