Westfalenpost: Deutschland verspielt seine Glaubwürdigkeit Von Harald Ries

Bislang zielte die Kritik an der Energiewende auf
die enormen Kosten von 23,5 Milliarden Euro pro Jahr für die
Verbraucher, auf Probleme der Energiebranche und auf Risiken für die
Versorgungssicherheit. Das ist alles bedenklich genug, aber man
konnte sich mit der Hoffnung trösten, diese Belastungen dienten einem
guten Zweck. Doch nun geht es an die Substanz: Im zweiten Jahr in
Folge ist der Treibhausgas-Ausstoß gestiegen. Unter den gegenwärtigen
Rahmenbedingungen sind die deutschen Klimaschutzziele – 40 Prozent
weniger CO2 im Jahr 2020 als 1990 – nicht zu erreichen.

Sicher: Die Wirtschaft brummt. Im kalten Winter 2012/2013 musste
viel geheizt werden. Aber das eigentliche Problem besteht darin, dass
der Wegfall von acht Atomkraftwerken durch Kohlekraftwerke
aufgefangen wird, während sich Gaskraftwerke kaum noch rechnen. Und
das wiederum hängt zusammen mit dem Scheitern des europäischen
Handels mit CO2-Zertifikaten, den sogenannten
Verschmutzungsrechten. Der Preis für eine Tonne Kohlendioxid sollte
eigentlich bei 30 Euro liegen, seit langem dümpelt er um die 4 Euro.
Auf Druck der Industrie wurden anfangs viel zu viele Zertifikate
ausgegeben, und die europäische Politik zeigt sich sehr zögerlich bei
der Verknappung des Angebots.

Parallel zum Missmanagement bei der Energiewende verspielt
Deutschland durch Aktionen wie das Schachern um höhere Grenzwerte für
dicke Autos klimapolitische Glaubwürdigkeit. Und wer die eigenen
Ziele verfehlt, kann kaum überzeugend darauf dringen, dass andere
Länder ehrgeizige Verpflichtungen übernehmen. Selbst die
phantastischste EEG-Reform könnte nicht alle diese Probleme lösen.
Aber man wird noch aufmerksamer verfolgen, was Sigmar Gabriel
demnächst vorlegt.

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