Die Verhandlungsführer in Berlin biegen in die
Zielgerade ein. Noch ein paar Feinjustierungen bei den strittigen
Themen, dann die Personalfragen, die ein jeder für sich lösen muss –
und fertig ist die neue Bundesregierung. Es ist ja auch Zeit! Aber so
ist es diesmal nicht. Diesmal wissen die Noch-nicht-Koalitionäre,
dass alles noch ganz anders kommen kann. Dann nämlich, wenn sich kurz
vor Weihnachten herausstellt, dass die SPD-Mitglieder einen Strich
durch den Vertrag ziehen. Dann wird es nichts mit den schönen
Ministerposten, dann wird es erstmal nichts mit einer Wiederwahl
Merkels, dann stehen alle Uhren auf Null. Und bei der SPD dürfte eine
verzweifelte Suche nach einer neuen Führung anheben, denn kaum ein
Sozialdemokrat von Format wäre bei einem Nein der Mitglieder
unbeschädigt.
In Wiesbaden geht das anders. Da zogen sich die Gespräche zwischen
CDU und SPD hin, die SPD begann – noch vor den eigentlichen
Koalitionsverhandlungen – mit einem Terminmarathon durch die
hessische Etappe, um die Stimmung an der Basis aufzunehmen. (Schlimm
genug übrigens, wenn es dazu eigens einer Rundreise des
Landesvorsitzenden bedarf.) Also fassten sich die Grünen am
Wochenende ein Herz und stimmten in Koalitionsverhandlungen mit der
CDU ein. Da reibt man sich die Augen: in Hessen? Dem Land, in dem die
politischen Gräben stets viel tiefer waren als in Ländern wie
Saarland, Mecklenburg-Vorpommern oder auch Nordrhein-Westfalen?
Politik muss Gestaltungswillen zeigen. Das haben die
Verantwortlichen in Wiesbaden bewiesen, bei einer ebenso
komplizierten Ausgangslage wie in Berlin. Die Bundespolitik leistet
sich ein ängstliches Starren auf die Parteibasis und weitere Wochen
des Stillstands.
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