Westfalenpost: Ein Humanist auf den Spuren des Humanen Von Stefan Hans Kläsener

Es gibt wohl nur ein Land, dessen Besuch heikler für
einen deutschen Bundespräsidenten ist als Griechenland: Israel. Das
ist hierzulande wenig bekannt. Die Weltkriegsgeschichte und ihre
Gräuel kennen die Deutschen weitgehend, wenn es um Massaker in
Italien und Frankreich, Schändungen an der Ostfront oder
Massenhinrichtungen auf dem Balkan geht. Aber die Vergehen an der
griechischen Zivilbevölkerung?

Das hat seinen Grund in der griechischen Nachkriegsgeschichte, als
eine Militärjunta die Macht übernahm – und mit ihr mancher Offizier,
der im Zweiten Weltkrieg mit den Deutschen kollaborierte. Auch die
tollkühnen Fallschirmjäger, die auf Kreta zum Einsatz kamen, sehen
wir heute in einem anderen Licht.

Nimmt man nun auch noch die jüngsten Zumutungen an die Griechen
hinzu, die einen versagenden Staat zu beklagen haben und bitter dafür
büßen müssen, dann dürfte sich kein Bundespräsident wundern, wenn er
auf allenfalls frostige Gastgeber träfe. Aber so kam es nicht.

Joachim Gauck, über den sich selbstverständlich auch Kritisches
sagen lässt, hat ein offenbar untrügliches Gefühl für das rechte Wort
zur rechten Zeit. Die Reparationsforderungen der Griechen, die anders
als andere von deutschen Soldaten überfallene Staaten nichts
Nennenswertes erhielten, wies er sanft zurück. Und versicherte Hellas
dennoch der deutschen Solidarität, wenn es um die Überwindung der
Schwierigkeiten von heute geht. Die ehrliche Bitte um Verzeihen für
die Gräuel des Krieges kam hinzu.

All das zusammen macht den Erfolg dieses Staatsbesuchs aus.
Griechenland, Wiege des Humanismus und Kernbestand des Abendlandes,
hat eine solch würdige Visite verdient.

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