Darf ein Bundespräsident das? Dass Joachim Gauck die
mögliche Wahl eines ersten Ministerpräsidenten der Linken kritisch
kommentiert, ist keine Einmischung in die Regierungsbildung in
Thüringen. Es ist ein Zeichen für die besondere Philosophie der
Amtsführung, für die das Formulieren von Denkanstößen unbedingte
Grundvoraussetzung ist. Unser Land benötigt einen überparteilichen
Bundespräsidenten. Joachim Gauck kann diesen Status längst für sich
reklamieren. Weiterer Beweis indes: Für die SPD, deren entschlossenes
Handeln ihn einst ins Amt hob, ist diese Debatte als wahrscheinlicher
künftiger Juniorpartner der Linken in Thüringen alles andere als
angenehm.
Der Bundespräsident setzt sich bewusst der Kritik aus, dass er bei
seinen Äußerungen niemals Privatperson sei und demnach die
Staatsräson missachte. Aber lieber schweigen nach einer solchen
Frage? Dann wäre Joachim Gauck nicht mehr das „lebendige Symbol des
Staates“, wie es über das Wirken im Inland des ersten Bürgers so
schön heißt. Dass dieser Bundespräsident selbstbewusst auch
politische Reibungspunkte setzt, unterstreicht seine Authentizität.
Das schwächt weder das Amt noch seinen Repräsentanten. Und den
aufgeworfenen Fragen müsste sich die Linke – bemüht um ein
gefestigtes Profil der Vertrauenswürdigkeit – doch gern und nicht
minder selbstbewusst stellen wollen.
Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160