Westfalenpost: Gesichert ist nur der Wandel – Zum jüngsten „Atlas der Arbeit“

Die Entwicklung ist zweifelsfrei nicht ganz neu: Der
Niedriglohnsektor in Deutschland wächst, und er profitiert kaum vom
Wirtschaftsaufschwung. Während tarifgebundene Fachkräfte sowieso
schon ordentlich verdienen und sich zuletzt über passable
Lohnsteigerungen freuen konnten, müssen Niedriglöhner seit vielen
Jahren Reallohneinbußen hinnehmen. Und weil der Mindestlohn noch
unterhalb der Niedriglohnschwelle liegt, schafft er hier allenfalls
Linderung, aber keine Abhilfe. Dafür müsste er deutlich angehoben
werden. Der Fachkräftemangel könnte die
Zwei-Klassen-Arbeitsgesellschaft noch verfestigen – muss es aber
nicht. Denn gesucht werden ja nicht mehr nur Ingenieure und
(vergleichsweise mäßig bezahlte) Pflegekräfte, sondern inzwischen
etwa auch Paketzusteller. Geändert hat sich an der bestehenden
Lohnhierarchie dadurch aber wenig. Auch, weil wir als Verbraucher oft
einfach nicht bereit sind, für bestimmte Dienstleistungen mehr Geld
zu bezahlen. Die Digitalisierung wird den Wandel der Arbeit noch
beschleunigen – und Einfluss auf die Löhne haben. Wenn Grenzen
zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, wenn Überstunden anfallen,
aber nicht bezahlt werden – welche Bedeutung hat dann noch ein
Stundenlohn? So wie es jetzt aussieht, wird der Uber-Fahrer sich wohl
in die Riege der atypisch Beschäftigten um Minijobber, Leiharbeiter
und befristet Beschäftigten einreihen; autonomes Fahren könnte ihn
später aber ganz überflüssig machen. Auch deshalb dürften am ehesten
Bildung und Ausbildung vor prekärer Billig-Arbeit schützen, den
Einzelnen wie die Gesellschaft als Ganzes. Da bleibt in Deutschland
noch einiges zu tun.

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