Die Klagen der Bahn-Beschäftigten gleichen denen
vieler Polizisten, Feuerwehrleute oder Rettungsdienst-Mitarbeiter:
Sie sind zunehmend Aggressionen bis hin zu körperlichen Angriffen
ausgesetzt. Dass der Schienenkonzern darauf mit Bahnhofs- und
Zugverboten reagieren will, ist so verständlich wie richtig, hat aber
mehr Symbolwert als praktischen Nutzen.
Die Probleme liegen tiefer und haben zwei Hauptursachen: Die alte
Autorität ist weg. Die Uniform sorgt nicht mehr automatisch für
Respekt. Bei Schaffnern, die Reisende einst als Befehlsempfänger
behandelten und nun freundlich Getränke offerieren sollen, wirkt sich
das noch stärker aus als bei Rettungs- und Ordnungskräften. Der
Abschied von Untertanengeist ist zunächst erfreulich. Zum Problem
wird er in Kombination mit einer anderen Tendenz: der kompletten
Konzentration vieler Menschen aufs Ich. Nur der Nutzen fürs Ego
zählt, die Umwelt wird als Störfaktor bei der Erreichung eigener
Ziele betrachtet. Das hängt mit unserer Wirtschaftsordnung zusammen,
mit Zeitdruck, Überforderung, blank liegenden Nerven und der (häufig
leider berechtigten) Überzeugung: Der Rücksichtsloseste setzt sich
durch.
Nun ist aber durchaus nicht alles überall schlechter geworden. In
vielen Bereichen unseres Alltags klingt der Umgangston heute sogar
deutlich angenehmer als früher. Es ist lediglich eine Minderheit, die
sich so rüde aufführt. Und wenn die Männer und Frauen in Uniform
nicht mehr die Autorität haben, Verbalrandalierer und Schläger in
die Schranken zu weisen, sollte es die Mehrheit der zivilen
Zivilisierten zumindest versuchen. Signalisieren, was nicht
hinnehmbar ist. Vorsichtig, aber konsequent. Wir müssen die Welt, in
der wir leben wollen, selbst schaffen.
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