Schauen Sie sich einmal die Ehepaare in ihrer 
Nachbarschaft an. Wie viele Frauen gibt es dort, die mehr verdienen 
als ihre Männer? Oder schauen Sie sich die Leute in Ihrem Viertel an:
Wie viele Männer arbeiten an der Kasse im Supermarkt, in der Kita 
oder in der Altenpflege? Man braucht keine Statistik, um ein Gefühl 
für die Lohnlücke zu bekommen, die in Deutschland zwischen Frauen und
Männern klafft. Der Reflex ist klar: arme, benachteiligte Frauen! 
Gemeine Männerwelt! Doch das trifft die Sache nicht. Frauen und 
Männer müssen gleich bezahlt werden, wenn sie das Gleiche leisten. 
Das ist das eine. Das andere ist: Die wenigsten Frauen sind 
schutzlose Opfer der Verhältnisse oder ihrer Erziehung. Die meisten 
treffen in ihrem Leben Entscheidungen, die dazu führen, dass viele 
weniger verdienen als sie verdienen könnten. Doch es gibt auch die 
anderen. Sie machen Abitur, studieren, starten im Job, finden einen 
Mann, wollen Kinder und glauben an alle Vereinbarkeitsversprechen. 
Und sehen auf einmal: Es funktioniert nicht. Weil der Chef nicht 
mitspielt. Weil ein Kind Eltern braucht und keine doppelten 
Vollzeitarbeiter. Was heißt das nun aber für die deutsche Lohnlücke? 
Ist sie in Stein gemeißelt? Nein. Die Regierung kann Druck ausüben, 
Ausbeutung und vorsätzliche Diskriminierung bekämpfen. Sie kann 
Bewegung ins Tarifgefüge bringen und für höhere Gehälter in typischen
Frauenberufen werben. Aber: Um die Lücke vollständig zu schließen, 
müsste die Regierung bis ins Kleinste in die Personalpolitik der 
Unternehmen hineinregieren, die Berufsbiografien von Frauen 
umschreiben und die Rollendynamik der Paare zielgerichtet steuern. Am
Ende kämen dabei gleiche Löhne  heraus – aber auch ein bevormundender
Staat.
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