Westfalenpost: Kommentar zu erziehung/ Bildung/ Mit Latein ist kein Staat mehr zu machen/Lernt, ihr Ermahnten!/ Von Andreas Thiemann

„Panta rhei – alles fließt.“ Leider kommt der Spruch
nicht aus dem Lateinischen, sondern von den Griechen. Treffend ist er
dennoch, denn er kann darauf verweisen, dass Bewegung, dass
Veränderung nun einmal ein Grundmuster unseres Daseins ist. Über
leidvolle Gymnasial-Generationen hinweg wurde am Erwerb des (Großen)
Latinums als einer vermeintlich unverzichtbaren Säule unserer
aufgeklärten Zivilisation festgehalten. Ungezählte Schüler wissen ein
dumpf-trauriges Vokabel- und Grammatiklied auf das stundenlange (und
nicht selten erfolglose) Pauken einer Sprache zu singen, die schon
unsere Altvorderen als „tote Sprache“ einzugestehen hatten. Heute, im
Zeitalter der unumkehrbaren Globalisierung, erscheint es daher kaum
noch gerechtfertigt, den Schulstundenplan mit täglichem
Latein-Büffeln anzufüllen. Wer eine Fremdsprache einigermaßen
beherrscht, wünscht sich sehnlichst, mindestens noch eine weitere
ähnlich gut zu können. Mit Latein ist da wahrlich kein Staat,
beziehungsweise kaum eine Karriere zu machen – sieht man einmal von
einigen akademischen Sonderwegen ab. Der Lateinunterricht lehrt
manches, von der Disziplin über die Logik bis hin zur bedingt
party-tauglichen Fähigkeit, mehr oder weniger unterhaltsame
Wortableitungen zu bilden. Jedoch rechtfertigt das alles nicht den
Aufwand, der diesem doch eher bedingten Nutzwert zugrunde liegt.
Spanisch, Türkisch, Chinesisch oder andere quicklebendige Sprachen
sind das Gebot der Stunde. Je mehr, desto besser. Also: Discite
moniti! – Lernt, ihr Ermahnten!

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