Westfalenpost: Kommentar zu Wahl NRW / Parteien /Die Piraten entern das politische System / Parteienlandschaft kann nicht so bleiben /Von Stefan Hans Kläsener

Nach Berlin und dem Saarland stehen auch
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Piraten ins Haus. Sie
machen alles anders als die bislang bekannten politischen
Formationen, die Grünen eingeschlossen. Ein wenig fühlt man sich
erinnert an die Wendezeit und die Diskussionen an den Runden Tischen
in der untergehenden DDR. Es ist eine Aufbruchstimmung, die dieser
Partei Wind unter die Flügel bläst, und es ist die Erkenntnis, dass
unsere Parteienlandschaft nicht so bleiben kann, wie sie ist. Dabei
kommt diese Entwicklung eigentlich nicht überraschend. Wer in die
Lokalteile unserer Zeitungen schaut, entdeckt eine sprudelnde Zunahme
kleiner Zweckbündnisse, die sich um ein konkretes lokales Problem
kümmern – gern auch mit durchaus egoistischen Absichten. Die großen
Wohlfahrtsverbände bekunden seit einiger Zeit, dass sich nur noch
wenige Menschen für ein langfristiges Engagement verpflichten, sehr
wohl aber für ein konkretes Projekt Zeit und Geld opfern. Hier ein
Hospiz, dort eine Tafel für Mittellose. Was also hat sich verändert
in Deutschland? Genauer: In Europa, denn die Piraten gibt es
beispielsweise in Schweden seit vielen Jahren? Der Vertrauensverlust
in die etablierte Politik hat damit zu tun, dass ein
paternalistischer Politikbegriff sich entleert hat. Die tatsächlichen
oder nur vermeintlichen Experten wissen eben nicht unbedingt besser,
was gut für das Volk ist, als eben dieses selbst. Zumindest möchten
die Menschen sich über das, was sie als das Beste empfinden,
austauschen. Das ist weit entfernt von billigem Populismus, es ist
vielmehr ein Paradigmenwechsel im politischen System. Es geht dabei
weniger um Programme als um die Frage einer politischen Methode: Wir
organisieren unsere politische Agenda selbst, und wir beeinflussen
die Positionen, die sich in sachpolitischen Fragen dann ergeben.
Spannend wird die Frage sein, ob die Volksparteien (und was von ihnen
übrig ist) darauf eine Antwort finden. Die Öffnung für
Nichtmitglieder (SPD) und die Regionalkonferenzen mit der Kanzlerin
(CDU) reichen ganz sicher nicht. Noch spannender wird die Frage sein,
ob die Medien ihre Rolle als Mediatoren und Verstärker angemessen
wahrnehmen.

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