Westfalenpost: Kreativer Eigennutz / Kommentar von Knut Pries zum EU-Haushalt

Reif für den „Tatort“ ist das meiste nicht – großes
Verbrechen sieht anders aus als das, was die Rechnungsprüfer der
Europäischen Union an unkorrekter Verwendung von EU-Geldern
festgestellt haben. Aber mehr als lässliche Schlamperei, als argloses
Versagen vor bürokratischen Anforderungen liegt durchaus vor. In
allzu vielen Fällen handelt es sich nicht um Betrug im rechtlichen
Sinne, aber sehr wohl um tätigen Eigennutz zu Lasten einer
Gemeinschaftskasse. Da läuft es in der EU nicht viel anders als in
der Bundesrepublik Deutschland oder im Schatten unseres eigenen
Kirchturms: Die Vorschriften werden mit Vorsatz ignoriert, kreativ
ausgelegt oder behutsam zurechtgebogen, bis es zu jeweiligen
Interessen passt. Dergleichen läppert sich auf immerhin insgesamt
sieben Milliarden Euro und lässt sich nicht mit Achselzucken oder
Verweis auf Missstände auch andernorts abtun. In der Europäischen
Union sitzt das Übel zum großen Teil nicht da, wo es der Stammtisch
vermutet: bei ausgabenwütigen und raffgierigen Eurokraten. Es sitzt
überwiegend da, wo sich in den Mitgliedstaaten Schlaumeier den Wust
der EU-Regeln zunutze machen, um in der juristischen Grauzone
zwischen Schlamperei und Betrug das ein oder andere Sümmchen in die
eigene Tasche zu lenken.

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