Westfalenpost: Mehr als ein belgisches Problem / Kommentar von Knut Pries zum Terror in Belgien

Als die Attentäter von Paris nach dem Blutbad bei
Charlie Hebdo auf der Flucht waren, herrschte im Nachbarland für ein
paar Stunden Sorge: Bloß nicht, dass sich die furchtbaren Brüder
Kouachi im Norden nach Belgien durchschlagen und dort ihren
Rachefeldzug fortsetzen! Dieser Alptraum blieb den Belgiern erspart.
Doch das will nichts heißen: Das Königreich ist auch so Zielscheibe,
Schauplatz und Nachschub-Lieferant des internationalen Terrorismus.

In Belgien finden Möchtegern-Dschihadisten günstige Bedingungen
vor: Die Zentralgewalt ist schwach, die Zusammenarbeit von Justiz und
Polizei über die interne französisch-flämische Sprachgrenze hinweg
ein notorisches Hindernis. Der illegale Waffenhandel blüht. In den
großen moslemischen Gemeinden wachsen junge Männer heran, deren
Sehnsucht nach Respekt und Aufstieg sich auf eine Karriere als
Gotteskämpfer richtet.

Tatsächlich bilden Frankreich und Belgien einen gemeinsamen
Aktionsraum: Der Grenzübertritt ist einfach, es gibt keine
Sprachhürde, in beiden Ländern hat die Vergangenheit als
Kolonialmacht ihre demographischen Spuren in Gestalt großer
ethnischer und muslimischer Minderheiten hinterlassen. Und in beiden
Ländern wirkt die zunehmende Distanz zwischen Gewinnern und
Deklassierten der Wettbewerbsgesellschaft als Brandbeschleuniger.
Diese soziale und kulturelle Seite des Problems haben unsere Nachbarn
im Westen freilich nicht exklusiv. Die EU behandelt das Phänomen des
Gotteskriegertums derzeit vordringlich als Aufgabe der Polizei und
der Sicherheitsdienste. Repression allein reicht aber nicht. Es wird
Zeit, dass sich die Europäer gemeinsam der Frage stellen, was
eigentlich so viele ihrer jungen Männer in den Wahnsinn des Dschihad
treibt.

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