Westfalenpost: Miguel Sanches zur Cyber-Attacke auf den Bundestag

Tausende Rechner, alle Schrott? Die Frage stellt
sich – im Bundestag. Sein Netzwerk ist nicht zu retten, weil das
Parlament seit Wochen das Ziel einer Cyber-Attacke ist. In einem
normalen Fall hätte man das System sogleich in den ersten Maitagen
abgeschaltet, als der Hackerangriff entdeckt wurde. Die Entscheidung,
das System weiter laufen zu lassen, wenngleich mit gewissen
Vorkehrungen, dient zwei Zielen. Es geht darum, die Zeit bis zur
Sommerpause zu überbrücken und keinen Offenbarungseid zu leisten.
Denn das wäre es, wenn sich über 600 Abgeordnete eingestehen müssten,
dass sie nicht arbeitsfähig sind. Der Bundestag wird viel Lehrgeld
zahlen müssen, buchstäblich. Es kostet Unsummen, die gesamte Software
und einige Rechner – womöglich alle – auszutauschen. Zur Technik
kommt noch die politische, rechtliche Frage hinzu. Es ist kein
Zufall, dass der Bundestag seinen eigenen Sicherheitsdienst hat. Das
ist eine Frage der Gewaltenteilung und – wie so vieles in Deutschland
– eine Lehre aus der Vergangenheit. Der Bundestag ist indes nicht die
einzige verwundbare Stelle. Der Angriff ist ein Menetekel: Er zeigt
erstens, wie verwundbar auch die Regierung sein kann. Er ist zweitens
ein Blick in die Zukunft. Das Internet hat in den letzten Jahren eine
gigantische Entwicklung genommen. Die Spionage hat und wird sich dem
Trend weiter anpassen. Es wird mehr Angriffe geben, besser,
raffinierter. Der Angriff auf das Parlament muss drittens die
Wirtschaft alarmieren. Der Angriff auf den Bundestag hat symbolisch
einen hohen Wert. Aber ökonomisch betrachtet ist das Abschöpfen von
Wirtschafts- und Unternehmensinformationen noch reizvoller.

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