Westfalenpost: Reform statt Rolle rückwärts Von Wilfried Goebels

Das „Turbo-Abitur“ erhitzt die Gemüter. Überforderte
Schüler, permanenter Zeitdruck, zu hoher Stress – die Kritik von
Eltern und Lehrern ist unüberhörbar. Weil eine „Rolle rückwärts“ zum
Abitur nach neun Jahren die Gymnasien aber organisatorisch ins Chaos
stürzen würde, setzen Experten mehrheitlich und zu Recht auf die
Reformierung im System. Es muss sich etwas ändern im Gymnasium: die
verdichtete Stundentafel wird entzerrt.

Die katastrophalen Umfragen zum G8-Abitur haben die
Landesregierung mächtig erschreckt. Gegen 76 Prozent der Bürger lässt
sich auf Dauer schlecht Politik machen. Vor der Kommunalwahl am 25.
Mai wollte Ministerin Löhrmann ein Signal zum Dialog setzen – am Ende
aber wird sie am Abitur nach acht Jahren im Gymnasium festhalten. Die
Rückkehr zum Abi nach neun Jahren erfordert mehr Lehrer und mehr
Unterrichtsräume. Das ist im laufenden Inklusionsprozess der Schulen
nicht leistbar.

Die Alternative liegt auf der Hand: NRW wird die Lehrpläne weiter
entschlacken, die Zahl der Klassenarbeiten reduzieren und
Hausaufgaben in die Schulzeit verlegen. Alles mit dem Ziel, dass
Schüler mehr Zeit zum Leben abseits der Klasse gewinnen. Dabei werden
Eltern darauf achten, dass das abgespeckte „Turbo-Abi“ nicht zum
„Billig-Abitur“ verkümmert.

Das „Turbo-Abitur“ wurde vor zehn Jahren nach dem Prinzip „Versuch
und Irrtum“ eingeführt. Schulen waren nicht vorbereitet, es gab keine
Bücher und keine Über-Mittag-Angebote – jetzt ist die Reform
überfällig. Wer seinem Kind aber neun Jahre Zeit lassen will bis zum
Abitur, für den stehen in NRW Gesamt-, Sekundarschulen und
Berufskollegs offen.

Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

Weitere Informationen unter:
http://