Nichts dürfte die Idee der verordneten Tarifeinheit
– in einem Betrieb soll nur ein Tarifvertrag gelten – mehr befeuern
als die Aussicht auf einen gleichzeitigen Streik von Lokführern und
Lufthansa-Piloten. Wenn nicht nur Berufspendler stundenlang auf ihren
Feierabend-Zug warten, sondern auch Fernreisende auf ihre Verbindung
zum Flughafen, auf dem dann der Flieger nicht startet, dann läuft
etwas grundsätzlich schief. Zwar ist die Chance sehr klein, dass es
zu einem solchen Szenario kommt, aber völlig ausgeschlossen scheint
es nicht: Ein Abstimmungsproblem zwischen den Gewerkschaften der
Schiene und der Lüfte reichte aus, um Deutschland nahezu lahmzulegen.
Eine Horrorvorstellung für Bürger und Wirtschaft, die auch auf einen
funktionierenden Güterverkehr angewiesen ist. Die Gewerkschaft der
Lokomotivführer (GDL) lässt die Muskeln spielen und fordert nicht nur
für die Lokführer, sondern auch für 17 000 andere
Bahn-Beschäftigte, die bisher von der Konkurrenzorganisation EVG
vertreten wurden, fünf Prozent mehr Lohn. Was 2007 beim letzten
großen Bahn-Streik zu Zeiten des charismatischen GDL-Chefs Manfred
Schell, der überzeugend den David gab, vielleicht noch durchgegangen
wäre, macht die Menschen heute wütend. Zumal sich der eher
uncharismatische Schell-Nachfolger Weselsky mit seinem
Behinderten-Vergleich selbst ins Abseits manövriert hat. Auf
Rückenwind durch die öffentliche Meinung darf die GDL nicht mehr
zählen. Allein sachorientierte und vor allem zügige
Tarifverhandlungen können sie jetzt noch vor dem Absturz retten.
Kleine Spartengewerkschaften sollten nicht ewig auf Artenschutz
hoffen. Das gilt im übrigen nicht nur bei der Bahn.
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