Westfalenpost: Stefan Pohlüber die Lust der Deutschen, Überstunden zu machen

Wenn mehr Arbeit da ist, als innerhalb der tariflich
vereinbarten Arbeitszeit zu bewältigen ist, werden Überstunden
gemacht, indem das Unternehmen welche anordnet. Grund kann eine zu
niedrige Personalausstattung sein, abzuarbeitende Auftragsspitzen
oder die Einführung neuer Techniken. So der Klassiker. Aber das ist
nicht alles. In Wirtschaftswunderzeiten konnte man sich mit
Überstunden den Opel Rekord oder die Waschmaschine früher leisten,
profitierte also vom Zusatzlohn. Heute, in Zeiten des rasanten
ökonomischen Wandels, besteht der Antrieb häufig in der
Arbeitnehmer-Angst um den eigenen Arbeitsplatz, den Fortbestand der
Firma, der eigenen Abteilung oder eines Projektes. Oder in zu
niedrigem Lohn. Diese Angst scheint in Deutschland, das
wettbewerbsfähig ist wie nie, verbreiteter zu sein als in anderen
EU-Ländern – Deutsche arbeiten sozusagen immer im Krisen-Modus. Dabei
ist natürlich zu unterscheiden, ob ein Beschäftigter mal eine halbe
oder eine ganze Stunde dranhängt oder ob das Licht im Büro jeden
Abend bis um zehn Uhr brennt. Entlohnt wird das selten auf dem Konto
und nicht viel öfter mit Anerkennung. Auf Dauer werden steigende
Fehlzeiten die Folge sein. Ein hoher Preis.

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