Westfalenpost: Steigende Zahl bei Unfallfluchten: Das Ich wird zum alleinigen Maßstab des Handelns

Auf der einen Seite ist es ein mangelhaftes
Unrechtsbewusstsein, auf der anderen Seite fehlt die Bereitschaft zur
Verantwortungsübernahme: Das Verkehrsverhalten auf deutschen Straßen
spi

egelt in dramatischer Weise den moralischen Verfall jener
überkommenen Sitten, auf denen sich unser Gemeinwesen gründet.

Die
Unfallflucht bei Blechschäden hat kaum noch den Stellenwert eines
Kavaliersdelikts und wird millionenfach praktiziert. Zeugen eines
schweren Unfalls mit Verletzten erkennen hingegen das Geschehen als
kurzweilige Alltagsabwechslung – sie gaffen statt zu helfen und
fotografieren statt zu alarmieren.

Hinter diesen Verhaltensmustern wird eine Welt- und
Werteanschauung deutlich, in der das Füreinander vom Gegeneinander
abgelöst worden ist. Moralische Instanzen und Übereinkünfte haben
ihre Gültigkeit verloren. Der eigene Vorteil steht im
Entscheidungsvordergrund, das Schicksal anderer verliert sich in
rigoros abgrenzender Interessenlosigkeit.

Helfen wird nicht mehr als Pflicht akzeptiert, weil der Begriff
der Pflicht selbst zur hohlen, zur inhaltsfreien Worthülle geworden
ist. Das Ich wird zum einzigen Maßstab des Handelns. Der Einzelne
zieht sich in seiner Verantwortung für die Gemeinschaft zurück, nutzt
diese allenfalls noch im Hinblick auf die eigene Spaß- und
Vorteilsgewinnung.

Wirkt diese Gesellschaftsanalyse zu düster, zu pessimistisch?
Vielleicht. Aber die negative Tendenz lässt sich schon erkennen. Und
über Zivilcourage haben wir an dieser Stelle noch gar nicht
gesprochen.

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