Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz ist ein hohes
Gut und per Grundgesetz verbrieft – und das ist gut so. Insofern
liegt die IG Metall mit ihrer Kritik am Gesetz zur abschlagfreien
Rente mit 63 mit seiner Ausnahmeregelung nicht falsch: Warum soll ein
Arbeitnehmer, dessen Betrieb geschlossen wird, schlechter gestellt
werden, als ein Arbeitnehmer, dessen Firma pleite geht? Weil es
darauf eben keine schlüssige und belastbare Antwort gibt, liegt der
Vorwurf der willkürlichen Ungleichbehandlung und damit eine
notwendige Korrektur nahe. Eine Korrektur, die die IG Metall
womöglich vor Gericht erstreiten will. Mit wohl guten
Erfolgsaussichten. Was erneut dazu führen würde, dass Juristen die
Arbeit erledigen, die eigentlich Aufgabe der Politik ist.
Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass die Große Koalition
taktisch gehandelt hat: die Ausnahme von der Ausnahme bei der
Anrechnung von Arbeitslosenzeiten als einzig möglicher Kompromiss
unter den beiden Berliner Regierungsparteien CDU und SPD. Wird der
Kompromiss später vor Gericht gekippt und muss korrigiert werden,
kann die Politik auf die Juristen zeigen und ihnen die Verantwortung
zuschreiben – einen Gesichtsverlust vermeidet sie dabei nicht. Zur
Regierungsarbeit einer Koalition gehört auch die Auseinandersetzung,
das Ringen um Kompromisse. Das Ausweichen davor befeuert höchstens
eines: die Politikerverdrossenheit.
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