Westfalenpost: Wulffs Wahl

Kein Neustart für Schwarz-Gelb

Von Winfried Dolderer Der Wahl eines Bundespräsidenten politischen
Signalcharakter zuzuschreiben, ist eine seit langem beliebte Übung.
Tastet man Christian Wulffs Wahl daraufhin ab, so empfängt man ein
allenfalls diffuses Signal, diffus wie die ganze Stimmung im Land. Da
ist auf der einen Seite eine Regierung, von der wir jetzt wissen,
dass sie sich so uninspiriert in die Sommerpause schleppen wird, wie
sie bisher schon vor sich hingewurstelt hat. Und auf der anderen
Seite keine mehrheitsfähige politische Alternative.Ganz neu ist die
Erkenntnis freilich nicht, dass sich die numerische linke Mehrheit,
die bei Wahlen immer wieder zutage tritt, nicht ohne weiteres in
Politik umsetzen lässt. Das wiederholte Scheitern rot-rot-grüner
Bündnisse in den Ländern, zuletzt in Nordrhein-Westfalen, war in
dieser Hinsicht lehrreich und unmissverständlich. Wie tief und
fundamental die gegenseitige Fremdheit und Abneigung zwischen
Rot-Grün und Rot indes tatsächlich ist, das liegt nun so klar zutage
wie es die Beteiligten selbst bislang offenbar kaum geahnt haben. Der
Graben ist breiter geworden.Was nun die Koalition aus Union und
Liberalen betrifft: Der wievielte verpatzte „Neustart“ war das jetzt
eigentlich? Man hat aufgehört, mitzuzählen. Und man erkennt nicht so
recht, wie sich für Schwarze und Gelbe in absehbarer Zukunft etwas
bessern sollte. Das Projekt, mit dem sie sich in den Augen eines
gründlich desillusionierten Publikums rehabilitieren könnten, ist
nicht in Sicht. Im Gegenteil: Gesundheitsreform, Atomenergie, lauter
Zustimmungskiller. Für Angela Merkel ist Wulffs Wahl der Auftakt zu
einem Sommer des Missvergnügens.

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