Wirtschaftsrat: Europa-Agenda des Wirtschaftsrats: Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung wieder in Mittelpunkt stellen

Kurt Lauk: EU muss dringend reformiert werden

– Neue Stabilitätskultur nach Euro-Krise unabdingbar
– Fortschreitende De-Industrialisierung Europas stoppe

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. fordert in seiner vorgestellten
Europa-Agenda Strukturreformen in der Europäischen Union (EU) und
einen Politikwechsel. „Die Krise hat schonungslos offengelegt, dass
das Haus Europa dringend renovierungsbedürftig ist. Wir brauchen
endlich effizientere Institutionen. In der Währungspolitik benötigen
wir eine neue Stabilitätskultur mit verbindlichen
Sanktionsmechanismen. Aber ohne eine Politik, die die
De-Industrialisierung Europas stoppt, sind alle Reformen auf Sand
gebaut. Hier zeigt Brüssel viel zu wenig Elan, Europa zum
Wachstumsmotor zu machen. Wo ist der Ehrgeiz geblieben?“, kritisierte
Prof. Dr. Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrats der CDU e. V.

Die Krise bietet große Möglichkeiten, Europa neu aufzustellen und
fit zu machen für Zukunft. „Das erfordert starke politische Führung,
die ich heute leider nicht an der Spitze der Kommission sehe. Aber
ich warne auch vor einem Automatismus, europäischer Spitzenkandidat
gleich Kommissionspräsident. Das ist eine typische Brüsseler
Kopfgeburt. Denn die demokratische Legitimität des Rats ist und
bleibt höher als die des Europaparlaments“, betonte Lauk. Der
Wirtschaftsrat möchte mit der „Europa-Agenda“ einen Beitrag leisten,
Wachstumskräfte freizusetzen und dem europäischen Projekt wieder Herz
und Seele zu geben.

Nur starke Institutionen können Reformen durchsetzen

– Die EU-Kommission braucht schlagkräftigere
Entscheidungsstrukturen: Für mehr Kohärenz und Effizienz sollte
eine neue Hierarchieebene- und Reporting-Struktur geschaffen
werden, bei der sechs bis acht Vizepräsidenten eine
herausgehobene Rolle einnehmen. Zu Beginn der neuen Periode
müssen Rat und Kommission klare Aufgabengebiete definieren,
sonst sucht jeder der 28 Kommissare sein Kompetenzfeld
auszuweiten und die Bürokratie wuchert weiter.
– Die EU muss sich auf die großen Zukunftsherausforderungen
konzentrieren: Wettbewerbsfähigkeit, Wachstumsimpulse, stabile
Währung, gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Klimawandel
und Migrationswellen. In anderen Bereichen sollte die Balance
bei der Kompetenzverteilung zwischen EU und Nationalstaaten neu
ausgelotet werden.
– Wir brauchen Reformen, die das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
und der Subsidiarität stärken. Mischkompetenzen sollten
abgeschafft werden. Mitgliedsstaaten sollten die Möglichkeit
bekommen, Kompetenzen per Mehrheitsentscheidung wieder an sich
ziehen zu können.
– Dies gilt insbesondere in Fragen, die dem Wirtschaftsstandort
Deutschland schaden – etwa die flächendeckende Einführung des
Bilanzierungsstandards IFRS für kleine und mittlere Unternehmen
anstelle der bisherigen handelsrechtlichen Bilanzen.
– Wir brauchen eine Phase der Konsolidierung, in der die Festigung
der Identität und der Institutionen der EU Vorrang vor weiteren
EU-Beitritten hat.
– Die neue Kommission braucht eine klare Agenda für Wachstum und
Wettbewerbsfähigkeit. Kernelemente müssen die Öffnung des
EU-Dienstleistungsmarktes und die Umsetzung eines
EU-US-Freihandelsabkommens sein. Zudem gilt es, das deutsche
duale Ausbildungssystem zum Exportschlager zu machen.

Richtige Konsequenzen aus der Euro-Krise ziehen: Neue
Stabilitätskultur durchsetzen

– Finanzhilfen müssen auch künftig immer verbindlich an die
Umsetzung von Reformprogrammen geknüpft sein.
– Eine gesamtschuldnerische Haftung über Eurobonds, ein einziges
EU-Einlagensicherungssystem, eine unbeschränkte Banklizenz für
den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder einen
Altschuldentilgungsfonds darf es ohne „Politische Union“ nicht
geben. Dafür ist ein handlungsfähiger europäischer
Finanzminister Voraussetzung.
– Eine Abweichung von den im Stabilitätspakt vorgesehenen
Anpassungsfristen darf nur in absoluten Ausnahmefällen gewährt
werden. Die Sanktionsmöglichkeiten der EU-Kommission müssen
glaubwürdig gestärkt werden. Es ist notwendig, innerhalb der
Eurozone ein Umschuldungsverfahren für Staaten zu entwickeln.
– Die Europäische Zentralbank (EZB) muss der Geldwertstabilität
verpflichtet bleiben. Offenlegung der Sitzungsprotokolle des
EZB-Rats muss verbindlich werden und sichtbar machen, mit
welchen Argumenten um Entscheidungen gerungen wird.
– Ein Land, das unter den Rettungsschirm fliehen muss, sollte für
diesen Zeitraum nicht die Ratspräsidentschaft in der EU
übernehmen dürfen.
– Statt den Finanzplatz Deutschland durch eine wachstumsfeindliche
Finanztransaktionssteuer zu schwächen, gilt es, die Transparenz
von Transaktionen generell zu erhöhen und Derivate verpflichtend
über Börsen zu handeln.
– Die EU-Bankenunion darf nicht missbraucht werden, um Altlasten
durch die Hintertür zu vergemeinschaften. Bei den weiteren
Bausteinen einer Bankenunion – dem gemeinsamen Abwicklungsfonds
und der europäischen Einlagensicherung – gilt es, zunächst
überzeugende nationale Systeme mit einheitlichen
Mindeststandards zu entwickeln.
– Die regulatorische Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen muss
beendet werden. Auch bei Staatsanleihen muss nach intelligenten
Übergangsfristen gelten: Höhere Risiken müssen mit mehr
Eigenkapital unterlegt werden. Durch Großkreditgrenzen für
einzelne staatliche Schuldner gilt es zudem, die
Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber Schieflagen bei den
Staatsfinanzen zu stärken.

Die fortschreitende De-Industrialisierung in ganz Europa stoppen

– Deutschland ist hier kein Vorbild: Das EEG wirkt schon heute wie
ein Brandbeschleuniger für die De-Industrialisierung
Deutschlands. 25 Prozent der Unternehmen erwägen die Verlagerung
ihrer Betriebsstätten ins Ausland.
– Um Kostenexplosion zu stoppen, muss auch die preistreibende
Kleinstaaterei beendet werden: Die Förderung erneuerbarer
Energien, Maßnahmen zur Energieeffizienz und der
EU-Emissionshandel müssen europaweit harmonisiert und
Ineffizienzen beseitigt werden.
– Grundsätzlich positiv ist, dass die EU mit gemeinsamen
Beihilfeleitlinien einen Vorstoß macht. Es ist aber Irrsinn,
dass jetzt vom Ziel, die Erneuerbaren in den Markt zu bringen,
abgerückt werden soll. Gleichzeitig liegt in dem Entwurf
erheblicher Sprengstoff für den Industriestandort Deutschland.
EU-Kommission darf nicht fahrlässig das industrielle Fundament
Deutschland zerstören.
– Entscheidend bleiben die europarechtliche Absicherung des EEG
und die Berücksichtigung des innereuropäischen Wettbewerbs.
Zusätzliche Belastungen für stromintensive Industrien und für
Unternehmen, deren Produkte einen weltweit einheitlichen
Börsenpreis haben, sind zu verhindern.
– Die Energiewende muss im europäischen Kontext umgesetzt werden.
Um den europaweiten Wettbewerb zu stärken, gilt es, den Ausbau
der Erneuerbaren abzustimmen und Planungs- und
Genehmigungsverfahren beim Stromnetz zu beschleunigen sowie
Zeitpläne für den Ausbau der Grenzkuppelstellen vorzulegen.
– Die Öffnung des EU-Binnenmarktes für Strom und Gas muss
schnellstmöglich vollendet werden. Statt die staatsgetriebene
Subventionsspirale durch einseitige Kapazitätsmechanismen und
Fördermechanismen für Erneuerbare weiter zu befeuern, sollten
europaweit einheitliche, technologieoffene Rahmenbedingungen das
Ziel sein.
– Die deutsche Wirtschaft beobachtet fassungslos, wie das einst
marktbasierte Instrument des EU-Emissionshandels nach und nach
in die Einflusssphäre der Politik gerät. Damit wird das ganze
System aus dem Prinzip von Angebot und Nachfrage zugunsten der
politischen Willkür der EU-Kommission ausgehebelt.

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Klaus-Hubert Fugger
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