
Wolfgang Huber, der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, wirft der
Politik und den internationalen Organisationen Versagen „im Fall
Syrien“ vor: „Mindestens die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist auf
der Flucht, es wäre längst notwendig gewesen, sie am Boden
militärisch zu schützen“, so der 74-jährige Theologe und Ethiker in
der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er empfinde es „als besonders beschämend,
dass wir uns in Europa viele Jahre lang in Gleichgültigkeit
verkrochen haben“, erklärt Huber. „Wer sich raushält, rettet aber
noch keine Menschenleben.“
Niemand habe ernsthaft versucht, eine politische Perspektive für
Syrien und den Nahen Osten zu entwickeln, „die internationalen
Organisationen haben versagt. Erst jetzt, wo uns das Geschehen durch
die Flüchtlinge so nahe gerückt ist, kommt das Erschrecken und
Erwachen.“
Dass Aleppo nun zum Signal werde, liege an der Brutalität der
Bombardierung durch Assad und Putin: „Wir wissen, wer der Aggressor
ist und wen wir kritisieren müssen. Doch die Frage, wie es
weitergehen soll, ist dadurch nicht beantwortet.“
Die „unzureichende internationale Reaktion auf Syrien“ erinnere
ihn sehr an das Versagen der Vereinten Nationen beim Völkermord in
Ruanda. „Vielleicht hätte man für Syrien rechtzeitig eine Koalition
mit internationalem Auftrag bilden müssen, die die Streitenden
auseinanderhält, etwa durch eine Schutzzone“, so Huber weiter. Aleppo
sei „das Signal, dass wir die Verbrechen Assads und der Russen klar
benennen sollten, ohne die dschihadistischen Kräfte zu verharmlosen.“
Wenn Huber heute an die Ereignisse in Deutschland 1945 und 1989
denke, „dann will ich auch angesichts von Aleppo die Hoffnung nicht
aufgeben. Durch Hoffnungslosigkeit würde sich das Grauen verdoppeln,
das in Syrien ohnehin schon geschieht.“
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