Aachener Nachrichten: Auf die Anklagebank! – Foltervorwürfe müssen juristisch aufgearbeitet werden; Ein Kommentar von Joachim Zinsen

In vielen Ländern wird skrupellos gefoltert. Meist
geschieht das stillschweigend. Kaum jemand in den Machtapparaten ist
bereit, über die Grausamkeiten zu sprechen. Umso bemerkenswerter ist
es, dass die USA nun einen Folterbericht vorgelegt haben.
Schonungslos wird darin die menschenverachtende Brutalität des
eigenen Geheimdienstes dokumentiert und mit der Unkultur des
Wegsehens gebrochen. Offensichtlich funktionieren in den Vereinigten
Staaten von Amerika doch noch politische Mechanismen, von
staatlichlicher Seite begangene Verbrechen zu enthüllen. Doch bei
allem Respekt vor dem Versuch der US-Administration, sich zumindest
teilweise ehrlich zu machen: Transparenz alleine reicht nicht. Die
Dokumente des Schreckens schreien förmlich danach, strafrechtlich
aufgearbeitet zu werden. Gerichtsverfahren müssen her. Auf die
Anklagebank gehören nicht nur CIA-Agenten, die Folterknechte der
ersten Reihe. Auch mutmaßliche Schreibtischtäter wie der ehemalige
US-Präsident George W. Bush, dessen Vize Dick Cheney und
Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld müssen zur Verantwortung
gezogen werden. Es mag zwar sein, dass die Herrschaften nicht über
alle Einzelheiten der Foltermethoden informiert waren. Aber das ist
keine Entschuldigung. Bush & Co. waren es, die die grausame Praxis
grundsätzlich erlaubt haben. Doch seien wir nicht blauäugig: Prozesse
werden nie stattfinden – weder in den USA, noch in Europa, noch in
Deutschland. Präsident Barack Obama wird aus innenpolitischen Gründen
nicht darauf drängen. Und Europa? Zwar deutet vieles darauf hin, dass
es auch in einigen EU-Staaten geheime Folterkeller der CIA gab, in
denen Terrorverdächtige malträtiert wurden. Zwar liegen deutliche
Hinweise vor, dass in Italien gekidnappte Personen über den
US-Stützpunkt Ramstein von Deutschland in die Staaten gebracht
wurden. Es ist sogar bekannt, welche CIA-Mitarbeiter an diesen
Aktionen wahrscheinlich beteiligt waren. Aber einen Antrag, diese
Geheimdienstler der deutschen Justiz zu überstellen, wird es von
Seiten der Bundesregierung wohl nicht geben. Ähnlich wie im
NSA-Spionageskandal werden deutsche Stellen keinen tieferen Konflikt
mit den Amerikanern riskieren wollen. Was bleibt? Zunächst große
Aufregung über den Verrat von Werten. Die Welle der öffentlichen
Empörung wird noch ein paar Tage anhalten … und dann abebben.
Gerechtigkeit? Ist offenbar nur ein Wort!

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