Aachener Nachrichten: Ein schlechter Witz – Kommentar zur geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns; Von Joachim Zinsen

Sorry, aber dieser Vorschlag ist ein schlechter
Witz. Geht es nach der zuständigen Kommission, soll der gesetzliche
Mindestlohn zu Beginn des kommenden Jahres gerade einmal um 35 Cent
auf 9,19 Euro steigen. Mit dieser Erhöhung werden keine Probleme
gelöst, sondern Probleme fortgeschrieben. Konkret heißt das nämlich:
Auch künftig werden hunderttausende Vollzeitbeschäftigte auf
staatliche Unterstützung angewiesen sein, um sich und ihre Familien
über die Runden zu bringen. Auch künftig werden Hunderttausende so
wenig verdienen, dass sie im Rentenalter Grundsicherung beantragen
müssen. Auch künftig werden in Ländern wie Luxemburg, den
Niederlanden, Frankreich, Irland oder Belgien Arbeitnehmer durch eine
höhere Lohnuntergrenze abgesichert sein als in Deutschland. Für
Europas stärkste Volkswirtschaft ist das blamabel. Unser
gesellschaftliches Klima wird darunter weiter leiden. Wenn auf
Existenznöte oder Existenzängste lediglich mit ein paar Brosamen
reagiert wird, steigt die Gefahr, dass sich Menschen abgehängt
fühlen. Diese aber sind dann anfälliger für rechte Rattenfänger und
deren Sündenbock-Theorien. Erleben wir nicht gerade den perfiden
Versuch der AfD, auch für unsere Probleme bei den Löhnen, bei den
Renten, bei der Wohnungssuche Flüchtlinge und Migranten
verantwortlich zu machen? Sehen wir nicht, wie diese falschen und
schäbigen Parolen bei zahlreichen Menschen auf fruchtbaren Boden
fallen? Darauf dürfen verantwortungsbewusste Politiker nicht nur mit
besonnenen, aufklärenden Worten antworten. Nein, das reicht nicht.
Sie müssen auch den Menschen, die keinen gutbezahlten Job haben,
endlich wieder ein Gefühl von sozialer Sicherheit geben. Überfällig
sind deshalb eine Stärkung der gesetzlichen Rente und eine Abkehr von
den Hartz-IV-Regelungen. Überfällig sind aber vor allem Änderungen am
Arbeitsmarkt. Ziel muss es sein, das gemessen an der Wirtschaftskraft
schwache Lohnniveau in Deutschland endlich anzuheben. Erreichen kann
das die Bundesregierung, indem sie der Tarifflucht von immer mehr
Unternehmen einen Riegel vorschiebt. Nur 50 Prozent der Beschäftigten
arbeiten inzwischen noch in einer Firma, die Tariflöhne zahlt. Das
ist ein unhaltbarer Zustand und Gift für den gesellschaftlichen
Frieden. Deutschland braucht zudem einen deutlich höheren
Mindestlohn. Der darf allerdings nicht nur auf dem Papier existieren.
Deshalb muss das Personal bei der für dessen Kontrolle zuständigen
Zollfahndung aufgestockt werden. Bisher konnte die Behörde solche
Prüfungen nur stichprobenartig vornehmen. Nicht wenige Unternehmen
hat das zur fortgesetzten Lohndrückerei eingeladen. Auch damit muss
endlich Schluss sein.

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