Aachener Nachrichten: Nur eine Ablasshandlung – Das Delfinmassaker in Japan und der Protest dagegen; Von Joachim Zinsen

Wirklich ein abscheuliches Spektakel. In Japan sind
gestern wieder einmal mehr als hundert Delfine abgeschlachtet worden.
Darüber empört sich die Welt. Völlig zu Recht. Die wenigen
Überlebenden des Massakers sollen künftig in Delfinarien oder
Freizeitparks für hunderttausende Besucher den fröhlichen „Flipper“
geben. Auf dass der Mensch seinen Spaß hat. Die intelligenten und
hochsensiblen Meeressäuger finden ihre neue Rolle zwar überhaupt
nicht lustig und vegetieren meist nur noch depressiv ihrem Ende
entgegen. Doch dagegen ist unser Aufschrei schon deutlich leiser. Und
kaum noch wahrnehmbar ist der Protest gegen die zwar illegale, aber
immer noch praktizierte Thunfisch-Jagd mit Treibnetzen. In diesen
Todesfallen verenden jährlich tausende Delfine als Beifang. Doch das
verdrängen wir. Hauptsache das Sushi ist preiswert und schmeckt.
Tierschutz wird offenbar dann besonders groß geschrieben, wenn er von
uns keine persönlichen Einschränkungen verlangt. Es stimmt ja: Was
die Japaner machen, ist barbarisch. Aber behandeln wir im Westen
Tiere respektvoller? Auch hier in Deutschland? Die Rede ist jetzt
nicht vom Umgang mit „süßen“ Hunden, Katzen oder Pferden. Sie
verhätscheln wir. Sie werden vermenschlicht. Sie dienen häufig fast
schon als Kindersatz. Ihr Schicksal geht uns nahe. Für sie setzen wir
uns ein. Doch was ist mit den sogenannten Nutztieren? Abermillionen
Rinder, Schweine und Hühner werden bei uns jedes Jahr unter
erbärmlichsten Bedingungen gemästet und geschlachtet. Dieses Elend
wollen wir nicht sehen. Auch deshalb lassen wir in unseren
Schlachthöfen gerne Niedrigstlöhner aus Südosteuropa arbeiten. Sie
töten im Akkord. Wer von ihnen das psychisch nicht aushält, wird
umgehend ersetzt. Fleisch muss halt möglichst schnell und billig
produziert werden. Die Qualen der Tiere spielen dabei eine absolut
untergeordnete Rolle. Die meisten Konsumenten stört das kaum. Denn
auch beim Einkauf von Lebensmitteln regiert bei uns die
Schnäppchen-Mentalität. Sicher: Viele können sich angesichts ihres
knappen Lohns nur „preiswerte“ Produkte leisten. Doch häufig spiegelt
sich im Konsumverhalten auch eine persönliche Wertsetzung wider. Wer
genügend Geld für den neuesten Flachbildschirm hat, dem müsste es
eigentlich auch möglich sein, Fleisch von Tieren zu kaufen, die
halbwegs artgerecht gehalten worden sind. Soweit denken aber offenbar
nur die wenigsten. Die Grünen bekamen das bei der vergangenen
Bundestagswahl zu spüren. Als einzige Partei hatten sie den Kampf
gegen Massentierhaltung zu einem zentralen Thema ihrer Kampagne
gemacht und verlangt, die ökologische Landwirtschaft deutlich stärker
zu fördern. Doch das wollte kaum jemand hören. Dafür wurde der Partei
im angeblich so tierlieben Deutschland ihre Forderung nach einem
Veggie-Day um die Ohren gehauen. Auch der neue
Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich hat sich gestern empört
und schockiert über das japanische Gemetzel gezeigt und einen
besseren Schutz von Delfinen gefordert. So weit, so gut. Noch besser
wäre es allerdings gewesen, wenn er sich gleichzeitig mit der
deutschen Agrarlobby angelegt und für ein Ende unserer industriellen
„Tierproduktion“ plädiert hätte. Das ist nicht geschehen und wird
von ihm wohl auch in Zukunft kaum zu erwarten sein. Doch solange der
CSU-Politiker diesen Weg nicht beschreitet, bleibt sein Einsatz für
die Delfine kaum mehr als eine populäre Ablasshandlung. Leider
befindet er sich damit bei uns zwar nicht in guter, aber in breiter
Gesellschaft.

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