Ja spinnen die denn, die Amerikaner? Wenige Tage
vor der US-Präsidentenwahl liegt Donald Trump in allen Umfragen bei
weit über 40 Prozent. Manche sehen ihn sogar schon kurz vor dem
Weißen Haus. Der rüde, narzistische Egomane, der mit rassistischen
und chauvinistischen Sprüchen um sich wirft, hat tatsächlich Chancen,
zum mächtigsten Mann der Welt aufzusteigen. In Europa schütteln wir
verschreckt die Köpfe und rätseln: Wie konnte es nur soweit kommen?
Zunächst: Auf ein allzu hohes Ross sollten wir uns nicht setzen.
Auch in Europa reüssieren derzeit Sumpfblüten wie Marine Le Pen,
Geert Wilders, Heinz-Christian Strache oder deren deutsche Kollegen
von der AfD. Sie sind politisch nicht nur ähnlich gestrickt wie
Trump. Ihr Erfolg hat auch ähnliche Gründe. Auch sie profitieren von
einer tiefen Verunsicherung vieler Menschen und der offenbaren
Unfähigkeit weiter Teile des etablierten politischen Betriebs, auf
soziale (Abstiegs-)Ängste positive, vor allem aber glaubwürdige
Antworten zu geben.
In den USA macht sich das exemplarisch an der Person Hillary
Clinton fest. Natürlich ist sie im Vergleich zu Trump das bei weitem
kleinere Übel. Aber der Glaube, dass sich die Demokratin im
Zweifelsfall gegen die Interessen des großen Geldes stellt und sich
für die Belange der einfachen Bürger einsetzt, ist gerade in der
abgehängten weißen Unterschicht und in Teilen der Mittelschicht
extrem schwach ausgeprägt. Wenn Clinton scheitern sollte, dann
verdankt sie das diesem Manko.
Dabei hatten die Demokraten mit Bernie Sanders durchaus einen
Präsidentschaftsbewerber, der in der Bevölkerung beliebter war als
Clinton. Bis zum Ende seiner Kandidatur lag er in allen Umfragen
deutlicher vor Trump als seine Konkurrentin. Der linke Sozialdemokrat
war ein Mann, der nicht nur die Jugend begeisterte, sondern auch bei
Wählern punkten konnte, die jetzt Trump und seinen kruden Botschaften
hinterherlaufen. Sanders sprach soziale Probleme an, verkörperte
einen neuen Aufbruch. Und zwar glaubhaft. Dass er letztlich bei den
Vorwahlen auch an miesen Tricks des demokratischen
Partei-Establishments scheiterte, das mit aller Macht Clinton zur
Kandidatin küren wollte, droht sich nun zu rächen.
Doch hätte, hätte … Fahrradkette! Clinton ist nun mal Kandidatin
der Demokraten und man kann ihr nur die Daumen drücken, dass sie
Trump verhindert. Allerdings sollten wir in Europa Lehren aus den
Entwicklungen in den USA ziehen. Auch hier stehen wir nämlich vor der
Frage: Gelingt es, die Ängste vieler Menschen – egal ob sie nun
gerechtfertigt, überzogen oder eingebildet sind – durch ein
emanzipatorisches, menschenfreundliches und auf soziale Gerechtigkeit
basierendes politisches Projekt aufzufangen? Oder überlassen wir die
wachsende Zahl wütender Bürger rechten, menschenfeindlichen und zu
autoritären Vorstellungen neigenden Demagogen à la Trump?
Die Antwort hat vor allem die politische Linke zu geben. In
Deutschland muss sie eine Alternative zum Schlafwagen-Kurs von Angela
Merkel aufbauen, der immer öfter Überdruss erzeugt. Dass bei SPD,
Linken und Grünen trotz des medialen Gegenwinds inzwischen verschärft
über ein gemeinsames Dreierbündnis nachgedacht wird, ist ein Schritt
in diese Richtung. Allerdings muss solch ein Bündnis nicht nur mit
einem Programm unterlegt werden. Es braucht auch einen
Kanzlerkandidaten, der das Projekt glaubhaft verkörpert – ähnlich wie
Sanders. Gelingt das nicht, laufen wir Gefahr, dass es in Europa und
auch in Deutschland bald vergleichbare Alarmschreie gibt, wie heute
aus den USA: Trump ante portas!
Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de
Original-Content von: Aachener Nachrichten, übermittelt durch news aktuell