Aachener Zeitung: Die CSU schafft es / Und darauf kommt es schließlich an / Kommentar von Peter Pappert

Ehrlich ist der CSU-Experte zumindest, und dafür
gebührt ihm Anerkennung. Ulrich Lange, immerhin verkehrspolitischer
Sprecher der Unionsfraktion, hat Mut zur Wahrheit. „Es hat doch
keiner geglaubt, dass wir das schaffen“, sagte er gestern im
Bundestag. Er meinte die Maut und brachte damit genau auf den Punkt,
worum es bei diesem Gesetz geht: Die CSU will demonstrieren, dass sie
etwas schafft. Das kann der größte Blödsinn sein, aber Parteichef
Seehofer und sein Adlatus Dobrindt schaffen es. Weil die CSU sonst
bundespolitisch nicht mehr viel zu melden hat und ihr Vorsitzender in
Berlin kaum noch ernstgenommen wird, war es ihr wichtig, sagen zu
können: „Wir schaffen das!“ Viele CDU- und SPD-Abgeordnete lehnen die
Dobrindtsche Maut ab, stimmen aber zu, weil sie in der großen
Koalition dazu verdonnert sind, der CSU die Möglichkeit zu geben,
dass sie etwas schafft. Dankbar verneigt sich die Republik vor so
viel staatspolitischer Weitsicht und Solidarität mit dem kleinen
Häuptling „Großer Seebär“ – nein: Seehofer – und nimmt in Kauf, dass
nun jede Menge behördlicher Aufwand getrieben werden muss, der in
keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag stehen wird. Wenn die
Koalition zusätzliches Geld für den Straßenbau haben will, sollte sie
dort kassieren, wo ohnehin kassiert wird: an den Tankstellen. Zumal
das Prinzip gelten müsste: Wer viel fährt, sollte viel zahlen, wer
wenig fährt, sollte weniger zahlen. Eine zusätzliche zweckgebundene
Infrastrukturabgabe auf den Benzinpreis wäre einfach, gerecht und
effektiv. Aber die CSU wollte eben nichts Einfaches schaffen, sondern
etwas Kompliziertes. Das hat sie geschafft, und ungerecht und
ineffektiv ist die Maut zudem noch. Hinzu kommt, dass die
EU-Kommission 2016 einen Vorschlag für eine EU-weite Maut machen
wird. Die wäre nach Beratungen im Europaparlament und im Europäischen
Rat bis 2017/2018 beschlossene Sache. Dieser Initiative haben die
zuständigen Minister und ebenso die Regierungschefs schon zugestimmt,
worauf der Vertreter des Naturschutzbundes Deutschland, Claus Mayr,
gestern hinwies. Die Koalition hätte den Steuerzahlern und dem
Verwaltungsapparat viel Arbeit, Geld und Zeit erspart, wenn sie auf
den nationalen Alleingang verzichtet hätte, zumal der mit EU-Recht
kaum zu vereinbaren ist. Der Europäische Gerichtshof wird sich damit
befassen, denn diese Maut trifft nur ausländische Fahrer. Und hier im
Grenzgebiet weiß man ganz genau, dass sie nicht dem Geist Europas und
guter Nachbarschaft entspricht. Sie ist eine Frechheit. Warum die CSU
die EU-Maut nicht abwartet, liegt auf der Hand. Wer wartet, schafft
nichts. Und die CSU will eben etwas . . . Genau – das ist das
Problem.

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