Aachener Zeitung: Kommentar Im Kalkül des Terrors Die Strategie des IS und die Angst der Gesellschaft Bernd Mathieu

Die Gefährdungslage ist unverändert. So sagt es das
Bundesinnenministerium seit den Anschlägen in Paris im November 2015.
Die Vereitelung der Terrorpläne für die Düsseldorfer Altstadt
bestätigt diese zuweilen stereotyp wirkende Formulierung. Sie ist
wahr, sie ist berechtigt und aktueller denn je. Die Pariser Attentate
im Club „Bataclan“ und in der Rue Charonne waren ein erschreckendes
Beispiel dafür, dass die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS)
den Alltag der Menschen als Ziel auserkoren haben, die Verbreitung
von Angst und Schrecken, die unmittelbare Beeinflussung unseres
Lebensstils, den direkten tödlichen Angriff in Kneipen, Sälen und in
beliebten Einkaufsmeilen. Dieser Terror kann überall sein, und das
macht ihn noch unberechenbarer. Nicht nur diese Heimtücke gehört zum
Kalkül des IS. Er hat es in seiner straffen und gut organisierten
Struktur nicht nötig, Terroristen über die Balkanroute
einzuschleusen. Er tut es aus strategischen Gründen, um einen Keil
zwischen Einheimische und Flüchtlinge zu treiben. Er provoziert einen
Generalverdacht und diskreditiert die große Mehrheit der Flüchtlinge,
die vor ihm, dem IS, geflohen sind. Und er heizt reflexartig die
innenpolitische Debatte weiter an. Ja: Jetzt festgenommene
Verdächtige sind über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Sie
haben sich in deutschen Asylbewerber-Heimen – als Flüchtlinge getarnt
– aufgehalten. Sie sind ein Teil der vielen Menschen, die ohne
Kontrolle und ohne Registrierung zu uns gekommen sind. Und daraus
ergeben sich gewisse Konsequenzen: Die so oft und schon lange
angemahnte Überprüfung und Registrierung der Flüchtlinge muss
lückenlos erfolgen. Wir müssen wissen, wer sich in unserem Land
aufhält. Das ist keine AfD-Position, sondern völlig normale und
notwendige Rechtsstaatlichkeit. Die Zusammenarbeit mit den
Nachrichtendiensten befreundeter Staaten ist weiter zu intensivieren.
Jetzt kam der entscheidende Tipp aus Frankreich (und zum Glück, das
gehörte diesmal dazu, gab es einen Überläufer, der sich in Paris
meldete). Aber der Hinweis kam sofort, und er wurde ernst genommen,
anders als in ähnlichen Situationen in Belgien. Das Thema eignet sich
nicht zu innenpolitischen Schnellschüssen oder zu politischen
Erklärungen, die nur inhaltsloses Nicht-Wissen verraten. Das geht
gleichermaßen an Repräsentanten der nordrhein-westfälischen
CDU-Fraktion (Innenexperte Gregor Golland) wie an die Landesregierung
(Innenminister Ralf Jäger). Die Gefährdungslage ist unverändert: Der
Verfassungsschutz rechnet zurzeit mehr als 43000 Menschen zur
islamistischen Szene in Deutschland. Die Zahl steigt mit dem
ständigen Zulauf zu den Salafisten. Etwa 1100 werden dem
„islamistisch-terroristischen“ Spektrum zugeordnet, darunter sollen
rund 500 Gefährder sein, denen man alles zutraut. Die Lage ist ernst
und kein Tummelfeld für innenpolitische Debatten, die nur Schuld
zuweisen wollen, aber keine Lösungen aufzeigen.

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