Personalstreitigkeiten sind in Parteien nichts
Ungewöhnliches. Insofern könnte man den AfD-Streit um einen, zwei
oder drei Parteivorsitzende getrost unter dem Stichwort eitler
Machtkampf verbuchen – auch, weil die AfD eine junge Partei ist. Wenn
hinter der Personaldebatte nicht vor allem ein Kampf um Inhalte
stecken würde. Wer sich erinnert: Die AfD startete vor knapp zwei
Jahren als professorale Ein-Themen-Partei. Kernforderung war „eine
geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“. Unangefochtener Kopf
der Anti-Euro-Partei war damals das ehemalige CDU-Mitglied Bernd
Lucke. Ein eher biederer Wirtschaftsprofessor, der es schaffte den
Ex-Topmanager Hans Olaf Henkel ins Boot zu holen und die AfD als
„Partei der Vernunft“ zu präsentieren. Der vor allem bemüht war, die
Partei nach rechts außen hin abzugrenzen. Inzwischen haben sich die
Machtgewichte und die inhaltlichen Schwerpunkte in der AfD
verschoben. Lucke fällt es als Europaabgeordneter zunehmend schwer,
die Partei von Brüssel aus unter Kontrolle zu halten, und Henkel –
ebenfalls im EU-Parlament – klagt über „Unvernünftige, Unanständige
und Intolerante“ in seiner Partei. Spätestens mit den Erfolgen bei
den Landtagswahlen in Brandenburg (12,2 Prozent) und Sachsen (9,7)
verlagerte sich das AfD-Machtzentrum gen Osten. Die dortigen
Landeschefs Alexander Gauland, bislang Parteivize, und Frauke Petry,
neben Lucke und Konrad Adam Bundesvorsitzende, wollen verhindern,
dass sich Lucke als alleiniger Chef durchsetzt. Vor allem, weil sie
mit der Partei in vielen politischen Gewässern fischen wollen. Dies
birgt Konfliktpotenzial. Etwa bei den Themen Innere Sicherheit und
Zuwanderung, wo Gauland die „Pegida“-Bewegung als „natürliche
Verbündete“ der Partei sieht und Petry die „Pegida“-Organisatoren zum
Gespräch in den sächsischen Landtag einlädt, während Lucke die Gefahr
zu wittern scheint, die in einer allzu großen Nähe zum
islamfeindlichen Phänomen für die AfD steckt. Es gilt aber auch für
andere Themen. Etwa bei der Außenpolitik, für die Gauland auf
Bundesebene zuständig ist. Der brandenburgische AfD-Chef kritisierte
Lucke für dessen russlandkritische Haltung im Ukrainekonflikt und
äußerte sich verständnisvoll in Richtung Russland. Auch das geplante
Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU ist
innerparteilich umstritten. Während der wirtschaftsliberale Lucke den
Freihandel prinzipiell begrüßt, hat die Parteibasis auf einem
Parteitag das Abkommen gegen seinen Willen abgelehnt. Kurzum: Die AfD
verdankt ihren bisherigen Erfolg einem inhaltlichen Ritt auf der
Rasierklinge, in dem sie den Menschen, die sich von den „Altparteien“
abgewendet haben, das bietet, was sie gerade hören wollen. Vor allem
Gauland und Petry haben dabei wenig Hemmungen, etwa mit kruden
Verschwörungstheoretikern zu flirten. Alles im Dienste der
größtmöglichen Abschöpfung des Wählerpotenzials. Auf Dauer wird die
Partei aber nicht gleichzeitig wirtschaftsliberale Professorenpartei
und Sammelbecken für krude politische Positionen sein können. Der nun
erzielte Kompromiss, der wahlweise als Niederlage („Spiegel“) oder
Sieg („Deutsche Welle“) Luckes interpretiert wird, hat somit die
Entscheidung nur verschoben. Die Partei wird sich in vielen
Politikbereichen deutlicher positionieren müssen. Damit werden
Personalentscheidung einhergehen und die Erkenntnis, dass eine klare
Position auch Wählerstimmen kosten kann.
a.idries@zeitungsverlag-aachen.de
Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de