Aachener Zeitung: Kommentar Pisa? Genug getestet! Es ist längst bekannt, wo Schule besser werden muss Von Thorsten Karbach

Heute dürfen wir frohweihnachtlich frohlocken und
an dieser Stelle den Pisa-Schock aus dem Jahr 2000 als heilsam
bezeichnen. Mag die anfängliche Hysterie ob des miesen Abschneidens
der deutschen Schüler im internationalen Vergleichstest auch zu
Schnellschüssen und Kurzschlusshandlungen geführt haben. Mit dem
Abstand der Jahre muss festgestellt werden: Ohne die Pisa-Resultate
wäre in diesem Land wohl nie so kontrovers und ausführlich über
Bildungsstandard diskutiert worden. Und das ist schlichtweg: sehr
gut. Doch genug getestet! Die wichtigsten Erkenntnissen (kleinere
Klassen und mehr Lehrer helfen immer) liegen längst auf dem Tisch,
die größten Reformen (Abitur nach acht Jahren, Ganztagsunterricht,
neue Schulformen wie die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen) sind
vollzogen oder zumindest auf den Weg gebracht. Da braucht es nicht
der ständigen Vergleiche mit Singapur oder Estland. Was hilft die
Erkenntnis, dass Neunjährige in Taipeh besser rechnen können, wie es
der neue Pisa-Test aussagt? Ständig müssen sich Deutschlands Schüler
messen – mit 16-Jährigen in Shanghai, wo auch abends und an den
Wochenenden unterrichtet wird, mit ihren Altersgenossen in allen
anderen Bundesländern, mit ihrem Notenschnitt mit denen der
Abiturienten an der benachbarten Schule. Warum? Damit am Ende dem
deutschen Schulsystem eine besonders gute Note ausgestellt wird?
Bestnoten würde es sich verdienen, wenn Deutschlands Schüler gerne
zur Schule gehen würden und am Ende alle den für sie richtigen
Abschluss in der Tasche haben – und das muss nicht das 1,0-Abitur
sein. Wenn wir nicht mehr darüber schreiben müssen, dass Schüler über
Leistungsdruck klagen, gar psychologische Betreuung brauchen. Wenn
überall ausreichend Lehrer unterrichten würden, auch gerne zwei in
einer Klasse, und junge Pädagogen nach dem Referendariat nicht mehr
auf der Straße stehen. Wenn die Bildungschancen benachteiligter
Kinder größer sind denn je und Kinder mit Migrationshintergrund – so
sagt es die aktuelle Pisa-Erhebung aus – nicht zwei Jahre hinter dem
Lernniveau ihrer Mitschüler hinterherhinken. All das wissen wir seit
dem großen Pisa-Schock, über all das haben wir seitdem immer wieder
kontrovers wie konstruktiv diskutiert und wichtige Schritte
eingeleitet. Gehen wir weiter auf diesem Weg und lassen uns nicht
dauernd von Schultests ablenken.

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