Aachener Zeitung: Kommentar Seine einzige Chance Für Uli Hoeneß zählt nur noch Schadensbegrenzung Bernd Mathieu

Die Causa Hoeneß ist gewiss ein Präzedenzfall. Noch
nie musste eine Person dieser 1-A-Prominenz wegen Steuerhinterziehung
ins Gefängnis. Irgendwelche von ihm erhofften „mildernden Umstände“
mögen vielleicht auf das Strafmaß Einfluss gehabt haben, nicht jedoch
auf die Tatsache, dass er nun bald in der Justizvollzugsanstalt
landet. Keine Gnade für Steuerhinterzieher: Den Staat zu betrügen,
gilt in Zeiten, in denen über Sozialkürzungen, Mindestlöhne und neue
deutsche Hartz-IV-Armut teilweise heftig diskutiert wird, nicht mehr
als Kavaliersdelikt. Und dass Prominente von vornherein einen Bonus
einkalkulieren können, ist von übereifrigen Staatsanwälten in
Verfahren von Kachelmann bis Wulff eher peinlich als eindrucksvoll
entkräftet worden. Für Uli Hoeneß war es also unausweichlich, das
Urteil anzuerkennen und von seinen FC-Bayern-Ämtern zurückzutreten.
Er wahrt damit die wirklich einzige noch verbliebene Chance,
wenigstens einen kleinen Teil verlorener Achtung zurückzugewinnen.
Dieses Kalkül geht offenbar auf, wenn selbst die Bundeskanzlerin dem
Steuerhinterzieher dafür „hohen Respekt“ entgegenbringt. Sei es so!
Ob die Erklärung über seine Sicht von „Anstand, Haltung und
persönlicher Verantwortung“ angesichts neu entdeckter Demut ernst
gemeint oder eher eine poetische Übertreibung in eigener Sache ist,
ändert nichts an der Faktenlage: Hoeneß war in den Spitzenämtern des
Vereins nicht mehr zu halten. Damit hat er verspätet die richtige
Konsequenz gezogen. Alles andere bleibt nüchtern zu betrachten: Er
muss sich einem juristischen Urteil beugen. Nicht mehr und nicht
weniger. Das Gericht war souverän genug, auf Psychoanalysen,
Kapitalismuskritik oder die Untersuchung individueller Formen von
Gier zu verzichten. Die nicht-juristische Strafe für Hoeneß wiegt
trotz der Unannehmlichkeiten einer Justizvollzugsanstalt schwerer:
Das Vorbild ist vom Sockel gefallen, die Ikone hat sich selber als
Opfer krimineller Energie entlarvt, alle Welt weiß nun, wie der
Erfolgsmensch ohne Selbstdisziplin und Maß unter Druck geriet und wie
dieses Explosionszentrum an Ideen mit seiner autoritären Macht und
seinem Einfluss in einen rastlosen Alltag eingetaktet und gefangen
war. Uli Hoeneß ist allzeit ein Spieler geblieben. Dass sein
Schicksal weitestgehend ohne Häme und ohne jeden Versuch medialer
Treibjagden (von gelegentlichen Auswüchsen im Boulevard abgesehen)
beobachtet und begleitet wird, stellt sich ganz anders dar als etwa
bei Christian Wulff. Und das ist bei aller berechtigten Empörung über
die grandiose Steuerhinterziehung gut so.

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