Vielen Mitgliedern der CDU mag es schwerfallen,
länger zu warten. Aber Angela Merkel wäre dumm, wenn sie zu früh
ankündigt, dass sie 2017 noch einmal und zum vierten Mal als
Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf zieht. Die politischen
Kontrahenten werden durch Merkels offizielle Zurückhaltung deutlich
mehr verunsichert als die Union. Wenn Merkel beim Bundesparteitag im
Dezember wieder zur Wahl als Vorsitzende antritt, wird sie die Frage
nach der Spitzenkandidatur beantworten; das liegt einfach in der
Logik politischer Machtstrategie. Merkel registriert, dass alle
anderen ziemlich nervös sind. Ihr Signal ist klar: Ich regiere, ich
habe genug zu tun, mit Wahlkampf kann ich mich jetzt nicht
beschäftigen. Sie setzt der vielfältigen Aufregung in der Republik
Ruhe entgegen. Das halten manche ihrer Kollegen und Kontrahenten für
falsch, einige gar für provokativ, aber es macht auf die Bevölkerung
langfristig mehr Eindruck als Gabriels ständige Volten und
Überraschungskunststückchen. Die Gründe für die jüngsten
sozialdemokratischen Sottisen über Merkels Politik und ungeklärte
Spitzenkandidatur liegen auf der Hand. Der SPD-Chef weiß selbst
nicht, ob er sich die Kanzlerkandidatur gegen die Amtsinhaberin
zutrauen soll, denn er befürchtet, ein noch miserableres Ergebnis
einzufahren als seine beiden Vorgänger Steinbrück (2013) und
Steinmeier (2009). Er weiß ja noch nicht einmal, ob seine Partei in
ausreichendem Maße hinter ihm steht. Er weiß nicht, ob er für seine
Positionen in wichtigen politischen Fragen den Rückhalt seiner
eigenen Leute hat, was insofern nicht ganz verwunderlich ist, weil
Gabriels Positionen in wichtigen politischen Fragen häufig schwer zu
erkennen sind. Dass der Vizekanzler nun sogar glaubt, sich
ausgerechnet in der Flüchtlingspolitik auf die Seite der CSU schlagen
zu müssen, um seine Kabinettschefin zu attackieren und die
Wählerschaft vor den Landtagswahlen zu beeindrucken, ist im Grunde
ein Armutszeugnis. Nur 42 Prozent der befragten Bundesbürger wünschen
eine weitere Amtszeit von Angela Merkel. Das ist wenig. Allerdings
ist es viel angesichts des starken Gegenwinds, dem sich Merkel innen-
und außenpolitisch ausgesetzt sieht. Zudem wird die Frage nach einer
erwünschten Kanzlerschaft mit Blick auf andere Persönlichkeiten aus
CDU/CSU, SPD oder Grünen gar nicht gestellt. Es ist sehr
unwahrscheinlich, dass Sigmar Gabriel, Martin Schulz, Horst Seehofer,
Winfried Kretschmann, Ursula von der Leyen, Volker Bouffier oder
Markus Söder oder sonst wer nur halbwegs an 42 Prozent heran kämen.
Das relativiert die Unbeliebtheit der Kanzlerin doch erheblich. Und
die Schwadroneure an der CSU-Spitze stehen sowieso vor ihrem selbst
verschuldeten Dilemma: Monatelang haben sie ihre Parteibasis gegen
Merkel aufgehetzt und wissen nun nicht, wie sie den Rückhalt in den
eigenen Reihen für die gemeinsame Unionskanzlerkandidatin
gewährleisten sollen. Und den – das ewige Los der kleinen Schwester –
müssen sie organisieren, wollen sie sich nicht ohne oder mit einem
eigenen Kanzlerkandidaten vollends lächerlich machen.
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