• Wachstum der Hightech-Branche fällt auf ein Prozent
• Große Herausforderungen vor allem für Unterhaltungselektronik, Telekommunikationsausrüster und Halbleiterindustrie
• Verwaltungskosten seit 2010 deutlich gestiegen
• Fremdkapitalisierung und Schulden belasten die Bilanzen
• „Winner takes it all“-Trend setzt sich durch
• Entwicklung von weniger kapitalintensiven Betriebsmodellen („Asset-Light“) kann helfen
München, 08. November 2012 – Die Wachstumsrate des Hightech-Sektors ist auf ein Prozent zurückgegangen, zugleich bleibt der Marktwert des Sektors hinter den allgemeinen Marktindizes zurück. Viele Hightech-Unternehmen sehen sich daher gezwungen, ihr Geschäftsmodell radikal zu verändern. Unter anderem muss die Branche weniger kapitalintensive Betriebsmodelle entwickeln („Asset-Light“-Modelle) und die Verwaltungskosten branchenweit um bis zu 50 Milliarden US-Dollar reduzieren. Am schwierigsten wird diese Aufgabe für leistungsschwächere Unternehmen, müssen sie doch ihre Overhead-Kosten (bzw. Verkaufs-, allgemeine und administrative Kosten) um bis zu 30 Prozent senken, wenn sie im derzeitigen, von schwachem oder fehlendem Wachstum geprägten Umfeld bestehen wollen. Zu diesen Ergebnissen kommt die heute veröffentlichte Branchenstudie des global tätigen Beratungsunternehmens AlixPartners. Im Rahmen der Studie wurden knapp 1200 Unternehmen aus zehn Sektoren der globalen Hightech-Industrie untersucht. Insgesamt umfasst die Hightech-Industrie weltweit ein Volumen von 5,5 Billionen US-Dollar.
Branchenwachstum, Profitabilität und Shareholder Return im Sinkflug
Nach Jahren mit zweistelligen Steigerungsraten erlebt der Hightech-Sektor nun eine markante Abnahme des Umsatzwachstums. Gemäß den für das zweite Quartal gemeldeten Zahlen verzeichneten 90 Prozent der untersuchten Unternehmen in den zwölf Monaten bis 30. Juni 2012 ein Wachstum von lediglich einem Prozent. In der Periode von 2009 bis 2011 hatte die Wachstumsrate noch zehn Prozent betragen. Die drei großen Sektoren Unterhaltungselektronik, Telekommunikationsausrüstungen und Halbleiter, die zusammen 20 Prozent des Hightech-Sektors ausmachen, hatten mit Umsatzrückgängen von vier, sechs bzw. drei Prozent zu kämpfen.
Die Gewinnmargen der Branche sind im vergangenen Jahr ebenfalls geschrumpft. So sank die operative Marge seit 2010 über den gesamten Sektor gesehen um nahezu sechs Prozent, wobei der Rückgang in der Unterhaltungselektronikbranche rund 50 Prozent, in der Halbleiterbranche rund 30 Prozent, in der Telekommunikationsausrüstungsbranche 20 Prozent, in der Auftragsfertigung 15 Prozent und bei den Telekommunikationsanbietern sechs Prozent betrug. Laut AlixPartners entfällt rund die Hälfte (47 Prozent) des branchenweiten Betriebsgewinns sowie rund ein Drittel des Branchenumsatzes (34 Prozent) auf die Telekommunikationsanbieter. Sollten die Margen indes weiter erodieren, könnte dieser Trend zu einer Belastung für die Profitabilität der ganzen Branche werden und die Renditen für die Aktionäre auf durchschnittliche Werte drücken.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Hightech-Industrie in den zwölf Monaten bis zum 31. August die allgemeinen Marktindizes in punkto Marktkapitalisierung (ohne Dividenden) zwar übertrifft. Unter Ausklammerung von Apple beliefe sich das Wachstum der Marktkapitalisierung indes nur noch auf sechs Prozent. Dieser Wert läge unter den Durchschnittswerten des NASDAQ Composite Index und des S&P 500, die in derselben Periode um 16 bzw. acht Prozent zulegen konnten. Des Weiteren kommt die Studie zu dem Schluss, dass in der am 31. August 2012 zu Ende gegangenen Periode Unternehmen, die sich hinsichtlich ihrer Profitabilität – bezogen auf EBITDA – im Top-Quartil ihres Sektors befinden, eine 73 Prozent höhere Chance haben, die Performance des S&P 500 zu schlagen, als die Unternehmen in den unteren Quartilen.
Belastung der Bilanz
Die Branche spürt noch immer die Belastungen durch die hohe Fremdkapitalisierung und Verschuldung, so die Studie von AlixPartners. Das Verhältnis von Schulden und Eigenkapital in Sektoren wie der Unterhaltungselektronik (angeführt von den milliardenschweren Anleiheemissionen von Sony und Sharp) und der Auftragsfertigung (kürzlich ausgesprochenes Angebot von acht Milliarden US-Dollar von Hon Hai Precision Industry) ist enorm in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig sinkt laut AlixPartners der Zinsdeckungsgrad in vielen Sektoren, insbesondere im Halbleitersektor (von einer rund 23-fachen Deckung im Jahr 2010 auf eine 18-fache in der Ende Juli 2012 abgeschlossenen Zwölf-Monatsperiode) und in der Unterhaltungselektronikbranche (wo die zwölffache Deckung aus 2010 aktuell unter das Achtfache gefallen ist).
Infolgedessen sehen sich Unternehmen, die über 85 Prozent des Umsatzes im Unterhaltungselektroniksektor erwirtschaften, finanziellen Risiken ausgesetzt, d.h. einer möglichen Insolvenz innerhalb von zwei Jahren, sofern keine massiven Interventionen erfolgen. Gleiches gilt für die Unternehmen, die über 70 Prozent des Umsatzes im Telekommunikationsmarkt und Unternehmen, die über 65 Prozent im Computer-Hardware-Markt generieren.
„Asset-Light“-Modelle und Senkung der Verwaltungskosten haben Vorrang
Um dem Abwärtstrend bei Umsatzwachstum, Profitabilität und Aktionärsrenditen zu begegnen, rät die Studie den Unternehmen dringend zur Senkung ihrer Kosten, einschließlich der administrativen Kosten, sowie zur Einführung von „Asset-Light“-Betriebsmodellen.
In Bezug auf den Kapitaleinsatz kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich der durchschnittliche Branchen-ROCE (Return on Capital Employed bzw. Kapitalertrag) in den letzten fünf Jahren bei rund elf Prozent stabilisiert hat. Denn Unternehmen, die weniger vermögensintensive Betriebsmodelle anwenden, darunter zahlreiche Software- und Internet-Unternehmen (für die der sektorweite ROCE bei 22 bzw. 17 Prozent liegt), verzeichnen weiterhin eine bessere Performance. Im Gegensatz dazu tun sich die kapitalintensiveren Geschäftszweige wie Unterhaltungselektronik- und Computer-Hardware (mit einem ROCE von fünf bzw. acht Prozent) weiterhin schwer. Der Studie zufolge verfolgen die erfolgreichsten Hightech-Unternehmen eine aggressive Outsourcing-Strategie für ihre Produktfertigung und Lieferkettenbewirtschaftung und benötigen somit weniger Kapital. Zusätzlich hat dies häufig den Vorteil, dass Risiken gesenkt und technisch bedingte Unterbrechungen reduziert werden.
„In der Hightech-Branche lässt sich eine zunehmende Polarisierung, eine ‚Winner takes it all‘-Mentalität beobachten“, sagt Andreas Rüter, Managing Director bei AlixPartners. „Apple und einige weitere Top-Performer sind für den Löwenanteil der sektorweiten Marktkapitalisierungszunahme verantwortlich. Unternehmen mit geringerer Performance werden ihr Geschäftsmodell von Grund auf erneuern und beispielsweise auf ‚Asset-Light‘-Betriebsmodelle umsteigen müssen, wenn sie auf die Erfolgsspur zurückkehren wollen.“
Laut der Studie sind die Verwaltungskosten im Verhältnis zum Umsatz seit 2010 im Halbleitersektor um bis zu 17 Prozent in die Höhe geschnellt. Bei den Herstellern von Computer-Hardware und Unterhaltungselektronikprodukten betrug diese Zunahme immerhin noch 14 bzw. vier Prozent. Insgesamt, so AlixPartners, müssen die Hightech-Unternehmen ihre Verwaltungskosten drastisch um bis zu 50 Milliarden US-Dollar senken, wenn sie aus dem gegenwärtigen Tief herausfinden wollen. Das entspricht rund fünf Prozent der aktuellen Verwaltungskosten der Branche oder einem Prozent des Branchenumsatzes. Überdies macht die Studie deutlich, dass die weniger erfolgreichen Unternehmen, beispielsweise diejenigen in den weniger profitablen Sparten Unterhaltungselektronik und Telekom-Hardware ihre Verwaltungskosten sogar um bis zu 30 Prozent zurückfahren müssten, um in Zukunft bei den Kosten konkurrenzfähig zu bleiben.
„Wenn die Technologieunternehmen im heutigen schwierigen Marktumfeld bestehen wollen, müssen sie ihre Strukturen straffen und den Betrieb optimieren, ganz besonders im Hinblick auf die Verwaltungskosten“, so Andreas Rüter. „In den guten Jahren haben viele Firmen Speck angesetzt, der einigen jetzt massive Probleme bereitet.“
Deutliche regionale Abweichungen
Die Studie zeigt auch, dass der europäische Markt von allen vier analysierten Regionen schon im Zeitraum 2009 bis 2011 die geringste Umsatzwachstumsrate aufwies, nämlich lediglich drei Prozent jährliches Wachstum. Die globale Wachstumsrate in derselben Periode betrug hingegen jährlich durchschnittlich zehn Prozent. Das durchschnittliche Wachstum der Branche belief sich in dieser Zeit auf jährlich zwölf Prozent in der Asien-Pazifik-Region, zwölf Prozent im Mittleren Osten und Afrika sowie 14 Prozent in Nordamerika.
Die regionalen Unterschiede könnten sich in der Zukunft weiter verschärfen – etwa weil die nordamerikanischen Unternehmen sich mehr auf Innovationen und profitable Technologien fokussieren, während die asiatischen Akteure die traditionellen Absatzmärkte wie Unterhaltungselektronik standardisieren. Gemäß der Studie generierten die in Asien tätigen Unternehmen 2011 beinahe die Hälfte (49 Prozent) des Branchenumsatzes, aber nur rund 37 Prozent des Branchen-EBITDA. Nordamerikanische Unternehmen erzielten im vergangenen Jahr 33 Prozent des EBITDA der Branche sowie 30 Prozent des Branchenumsatzes. Auf europäische Unternehmen und Unternehmen aus den anderen Wirtschaftsregionen entfielen 22 bzw. acht Prozent des EBITDA und 17 bzw. vier Prozent des Umsatzes.
Mittlerweile beherrschen nordamerikanische Unternehmen weltweit drei der vier lukrativsten Geschäftsbereiche: Bei Software liegt der Marktanteil bei 79 Prozent, beim Internet bei 68 Prozent und für Halbleitererzeugnisse bei 60 Prozent. Demgegenüber verfügen europäische Unternehmen mit 33 Prozent über einen recht hohen Marktanteil im Telekommunikationsbereich, während asiatische Betriebe in mindestens vier von sechs gewinnträchtigen Branchen hohe Marktanteile aufweisen: Unterhaltungselektronik (92%), Auftragsfertigung (82%), sektorübergreifende Technologie (74%) und Computer-Hardware (62%).
Nordamerikanische Hightech-Unternehmen und europäische Unternehmen sind mit einer durchschnittlichen EBITDA-Marge von 23 bzw. 27 Prozent im vergangenen Jahr indes deutlich profitabler als ihre asiatischen Pendants, die im selben Zeitraum eine EBITDA-Marge von 15 Prozent aufwiesen.
„Wir gehen davon aus, dass der heftige Kampf zwischen den Herstellern von mobilen Endgeräten und deren Betriebssystemen sowohl Kurz- als auch Langzeitfolgen für den Sektor haben wird, speziell aber für europäische Unternehmen in den Bereichen Halbleiter, Telekommunikationsausrüstungen und Unterhaltungselektronik. Wer aus dem gegenwärtigen Null-Wachstums-Umfeld als Gewinner hervorgehen will, muss einerseits Innovationen hervorbringen, andererseits reale Gegenwerte aus Kapitalinvestitionen und Forschungs- und Entwicklungsprogrammen schöpfen, aber auch agilere und weniger kapitalintensive Geschäftsmodelle entwickeln“, sagt Andreas Rüter.
Über die Studie
In der Studie AlixPartners Global Telecom and Technology Outlook 2012 wurden 1173 Unternehmen aus zehn wichtigen Sektoren der Hightech-Industrie analysiert: Telekommunikationsanbieter, Telekommunikationsausrüster, Halbleiter, Internet, Auftragsfertigung, Computer-Hardware, Unterhaltungselektronik, Software sowie Multi-Sektor-Technologien und -Kanäle (Vertrieb und Verkauf). Neben eigenen Datenerhebungen wurden auch öffentliche Wirtschaftsdaten und Prognosen verwendet.
Weitere Informationen unter:
http://