Tag der Pressefreiheit. Wir schauen ritualisiert auf
die Staaten, in denen Journalisten entweder gar nicht oder nur unter
erheblichen persönlichen Gefährdungen arbeiten können Wir ersparen
uns die Aufzählung dieser Nationen, ihre Namen sind leider nur allzu
gut bekannt. Heute drehen wir den Scheinwerfer einmal herum und
leuchten ins eigene Land hinein. Natürlich ist hierzulande kein
Journalist an Leib und Leben bedroht. In der grauen Theorie ist die
Presse in Deutschland so frei wie in wenigen anderen Staaten auf der
Welt. Die Praxis sieht vielfach anders aus: Rathäuser, Ämter und
Ministerien, die trotz eindeutiger Verpflichtungen Auskünfte frech
verweigern oder erst nach Wochen in dürftiger Qualität liefern.
Pressestellen bei Polizei und Justiz, die Kartelle des Schweigens
bilden, auch wenn es keine – von der Presse selbstverständlich
akzeptierte und zu akzeptierende – unabweisbaren Gründe für dieses
Schweigen gibt. In der Wirtschaft werden mittlerweile halbe Armeen
beschäftigt, die nur mit dem Verhindern von Öffentlichkeit
beschäftigt sind. All das war zwar schon immer die normale Folklore,
mit der sich Journalisten vor allem in der Lokalberichterstattung
konfrontiert sahen. Aber die Tendenzen, unbequeme Fragesteller am
langen Arm verhungern zu lassen, nehmen auf ungute Weise zu. Dies
wäre immer noch nicht alarmierend, gäbe es nicht noch eine weitere
Entwicklung: In den sozialen Netzen entstehen in rasender
Geschwindigkeit parallele Öffentlichkeiten. Staatliche und
privatwirtschaftliche Stellen haben längst dafür hochgerüstet. An
manchen Stellen ist das absolut sinnvoll, etwa bei schnellen
Polizei-Tweets in Notsituationen. Aber vielfach wird nur ungefilterte
Jubelprosa ausgekippt. Die trotzdem von immer mehr Menschen für bare
Münze genommen wird, weil die entsprechende Medienkompetenz fehlt.
Zumindest in den Schulen ließe sich dagegen Abhilfe schaffen. Aber
was tut die Politik? Sie schaut auf skandalöse Weise zu. Das führt in
eine unfreie, atomisierte Gesellschaft, die die Freiheit der Presse
erst dann bitter vermissen wird, wenn es sie nicht mehr gibt. Die
größte Gefahr für die Demokratie sind nicht Nazis oder ihre linken
Gegenstücke, sondern die immer größer werdenden Gruppen derer, die
alles glauben. Und freie Quellen nicht mehr von gelenkten,
einseitigen oder auch bewusst desinformierenden Angeboten
unterscheiden können. Natürlich muss die Presse ständig auch an sich
selbst arbeiten. An ihren Standards, ihrer Wahrhaftigkeit und ihrer
Unabhängigkeit. Aber das ändert nichts daran, dass Presse schleichend
beschädigt wird. Auch dort, wo sie doch so frei ist.
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Wolfgang Bürkle
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