Allg. Zeitung Mainz: Eine Qual / Kommentar von Christian Matz zu Spanien

Reiner Zweckoptimismus – nichts anderes sind die
Reaktionen in Berlin und Brüssel zum Regierungswechsel in Madrid. Die
Bundesregierung und die EU wünschen sich nach dem erzwungenen Abgang
des Ministerpräsidenten Rajoy bald stabile Verhältnisse in Spanien.
Doch die Hoffnung ist vergeblich – eine neue Regierung mit einer
Regierungspartei, die noch nicht einmal über ein Viertel der Sitze im
Parlament verfügt, ist eine Notlösung mit sehr begrenzter
Restlaufzeit. Eine Neuwahl ist wahrscheinlich, und angesichts der
quälend langen Regierungsbildung schon nach der Wahl 2016 ist nicht
zu erwarten, dass in Spanien schnell wieder Klarheit herrscht. Dies
gilt auch für die Dauerkrise um das abtrünnige Katalonien, mit deren
mangelhafter Bearbeitung Rajoy engdültig jeden Kredit verspielt
hatte. Die Korruptionsaffäre in seiner konservativen Partei war nun
der willkommene Anlass, ihn zu stürzen. Für Spanien und die restliche
EU birgt diese Entwicklung viele Gefahren und nur wenige Chancen. Zu
den Gefahren gehört eine Abkehr vom Sparkurs, mit dem Rajoy das Land
aus der Krise gebracht hat. Angesichts einer Sozialistischen Partei,
die als eigentlicher Wahlverlierer nun ohne Plan und unterstützt von
den Linken die Macht übernimmt, ist die Unruhe an den Finanzmärkten
berechtigt. Eine kleine Chance liegt in Zugeständnissen der
Zentralregierung an die Katalanen: Schon das glaubwürdige Angebot,
wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, wäre ein Fortschritt
gegenüber der Blockadehaltung Rajoys. Eine weitere Eskalation dieses
Konflikts können weder Spanien noch Europa gebrauchen.

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