Allg. Zeitung Mainz: Etwas Nachsicht, bitte / Kommentar zu Schavan

Ein Bonmot, das in Berlin die Runde macht, besagt
sinngemäß: Wenn Angela Merkel einem Kabinettsmitglied ihr „volles“
oder gar ihr „vollstes Vertrauen“ ausspreche, dann sei es um den
Delinquenten bald geschehen. Demnach wird Bundesbildungsministerin
Annette Schavan nicht mehr lange im Amt sein, wenn sie Freitag von
ihrer Südafrika-Reise zurückgekehrt ist. So aber droht die
Aberkennung des Doktortitels der Ministerin durch den
Promotionsausschuss der Uni Düsseldorf aus dem Fall Schavan einen
zweiten Fall Guttenberg zu machen. Doch das ist ebenso unnötig wie
ungerecht. Zum einen steht nirgends geschrieben, dass eine Promotion
Zugangsvoraussetzung für ein Ministeramt sei. Annette Schavan ist
seit gut sieben Jahren Bildungsministerin, war davor zehn Jahre lang
Kultusministerin in Baden-Württemberg und hat in beiden Fällen, wenn
die Erinnerungen nicht trügen, einen guten Job gemacht. Wie wär–s,
wenn das als Maßstab für die Bewertung ihrer Qualifikation zumindest
mit herangezogen würde? Hinzu kommt, dass die fragliche Doktorarbeit
zum Thema „Person und Gewissen“ aus dem Jahre 1980 stammt – einer
Zeit also, als das Zitieren noch nicht mit einem Maus-Klick am
Computer möglich war. Das hat nicht vor unsauberer Textverwertung
geschützt, machte sie aber schwieriger. Und die Frage muss erlaubt
sein, wie der Doktorvater arglos durchwinken konnte, was so
unzweideutig als Pfusch erkennbar gewesen sein soll? Völlig
ahnungslos, der Mann? Oder war am Ende nach damaligen Standards
vielleicht doch alles in Ordnung? Wie es aussieht, gibt es keinen
Anlass, Annette Schavan aus dem Amt zu drängen – Doktortitel hin oder
her. Über die Frage nach „Person und Gewissen“ kann in diesem Fall zu
guter Letzt wohl sowieso nur sie selbst befinden.

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