Franziskus der Erste – er kommt aus einer ganz
anderen Welt als so viele seiner Vorgänger. Aus einer Welt, die von
Armut, Unterdrückung und vielfach nackter Not geprägt worden ist und
vielfach noch geprägt wird. Und er hat als erster den Namen Franz von
Assisis gewählt – des Heiligen, der wie kaum ein anderer nach der
Ursprünglichkeit der Kirche suchte. Ist also die Wahl des ersten
Nichteuropäers in das höchste Amt der katholischen Kirche das Zeichen
der Erneuerung, von dessen Notwendigkeit in den letzten Wochen so
viel geredet worden ist? Wer ist dieser „Kardinal der Armen“? Sind
das am Ende in einem Moment wie diesem überhaupt die richtigen Fragen
an eine Kirche, die in sehr vielen Zusammenhängen denkt, aber
definitiv nicht in Momenten? Sie sind nicht die ausschließlich
richtigen und wichtigen, aber sie haben ihre Berechtigung. Die Kirche
ist nach Krisenjahren verunsichert. Sie hat Akzeptanzprobleme, vor
allem in der Alten Welt. Wo Benedikt XVI. offenbar bis zur
Erschöpfung um die Bewahrung des theologischen Kerns – also des
Inneren – des Katholizismus gerungen hat, muss Franziskus I. die
Kirche wieder ein Stück weit zurück in die Welt führen. Genau so
weit, dass sie ihren Kern nicht verliert. Ein Befreiungstheologe und
ein flammender Reformer ist er nach allem, was man weiß, nicht. Im
Gegenteil, zu manchen Themen – etwa zur Homosexualität – hat er in
der Vergangenheit deutliche Worte gefunden. Aber sein neuer, großer
Name ist dennoch, davon darf man ausgehen, ein Programm. Als Jesuit
steht er für Volksnähe und auch für ein starkes politisches
Bewusstsein, eine Hinwendung zur Welt. Bei allen Erwartungen und
ersten Deutungsversuchen, die sich jetzt auf den 265. Nachfolger
Petri konzentrieren, darf man aber nie vergessen, dass auch Jorge
Mario Bergoglio nur einMensch ist. EinMensch, der eine große Last
schultert: Viele Gläubige warten tatsächlich auf eine Kehrtwende
ihrer Kirche Sie haben gestern ein erstes, hoffnungsvolles Zeichen
bekommen, Die bescheidene, fast schüchterne und doch sehr bewusste
Weise, mit der der neue Papst vor die Gläubigen trat und mit ihnen um
den Segen bat, sprach eindeutig eine Mut machende Sprache. Zu
überzogener Hoffnung besteht dennoch erst einmal kein Anlass. Die
Wirkung eines Pontifikats erweist sich oft erst nach langer Zeit.
Auch wenn dies schwerfällt. Franz von Assisi hat von sich behauptet,
einen Traum gehabt zu haben. Einen Traum, in dem er den Auftrag
bekommen habe, die Kirche neu aufzubauen. Einen Traum, den viele
Menschen bis heute träumen. Seit gestern Abend um so mehr.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de
Weitere Informationen unter:
http://