Allg. Zeitung Mainz: Generalverdacht / Kommentar von Stefan Schröder zur Schulvergleichsstudie

Von wegen Hessen vorn. Dieser Slogan stand in den
60er Jahren für ein neues Selbstbewusstsein der Hessen nach dem
Krieg. Spätestens seit den 70er Jahren ist es mit dem Vorsprung
zumindest in der Schulbildung vorbei. Rheinland-Pfalz, gleich
nebenan, profitiert, wenn man das so nennen möchte, von der Misere,
indem es Jahr für Jahr Schulflüchtlinge aufnimmt. Insofern bestätigt
die Ländervergleichsstudie nur, was die Bürger hüben wie drüben schon
wissen. Die Analyse dieser Misere erschwert noch, dass beliebte
übliche Erklärmuster versagen. Hessen hinten hieß es schon bei SPD-
und CDU-, jetzt auch bei FDP-geführten Schulministerien. In
Rheinland-Pfalz verhielt es sich umgekehrt ebenso. Ideologie, das mag
eine Erkenntnis sein, hilft nicht weiter. Die von der Gewerkschaft
geforderte Rückkehr zu G9 lässt die Spitzenreiter aus Sachsen
schmunzeln. Sie kennen nur G8. Und das seit der DDR. Selbst die
Organisation der Schule hat bei diesem Test keinen Ausschlag gegeben.
So ziehen sich die Experten auf den schwachen Lösungsweg zurück, die
Pädagogen seien ausschlaggebend. Es steckt mehr dahinter.
Technikfeindlichkeit und Hysterie vor Neuem begleiten die deutsche
Industrie seit Jahren. Atomphysiker trauen sich nicht, ihren Beruf zu
nennen, Chemiker werden gefragt, ob sie keine Angst vor Unfällen
hätten, bei Biologen denken die einen an Tierversuche und die anderen
an die böse Gentechnik. Hessen bot von alldem stets eine Portion mehr
als andere. Wenn dieser Hang zum Generalverdacht nicht endet, braucht
man den Pädagogen gar nicht mit Reformen zu kommen.

Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Wolfgang Bürkle
Newsmanager
Telefon: 06131/485828
online@vrm.de

Weitere Informationen unter:
http://