Der populärste Gedanke des Schriftstellers Samuel
Beckett zählt zu diesen Allgemeinplätzen, mit denen man sich so gut
über eigene oder fremde Unzulänglichkeiten hinwegtrösten kann: „Ever
tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.“
Oder auf den Mut machenden Kern verkürzt: „Wieder versuchen. Wieder
scheitern. Besser scheitern.“ In der Kunst etwa haftet dem Scheitern
ein positiv besetzter Nimbus an: Nämlich dass in dem Prozess, der dem
Scheitern vorgeschaltet war, wenigstens Außergewöhnliches gewagt
wurde. Dieses Schicksal hat nun auch die Grünen nach vier Wochen
Sondierung ereilt: Außergewöhnliches gewagt – wie zuletzt etwa die
Idee von einer schwarz-grünen Minderheitsregierung zu formulieren
oder zur Überraschung vieler Beobachter interne Geschlossenheit an
den Tag zu legen -, trotzdem gescheitert. Aber in diesem Scheitern
liegt eine Chance für die Grünen. Die Chance, dass die zuletzt tiefen
Gräben zwischen Realos und Parteilinken zugeschüttet bleiben, indem
man im Januar kluge Personalentscheidungen trifft. Oder die Chance,
sich in den kommenden vier Jahren in der Opposition wieder auf die
eigenen politischen Kernkompetenzen zurückzubesinnen und das eigene
Profil nachzuschärfen. Oder die Chance, der FDP ein paar
Wählerstimmen abzutrotzen, indem man sich, wie von Cem Özdemir
bereits vorexerziert, als die „eigentliche liberale Partei“ neu
erfindet. In Becketts Gedanke steckt bereits der Glaube an einen wie
auch immer gearteten Fortschritt: Nochmals, besser, Scheitern als
Chance. Diesen Glauben müssen die Grünen jetzt in die Zukunft retten.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Wolfgang Bürkle
Newsmanager
Telefon: 06131/485980
online@vrm.de
Original-Content von: Allgemeine Zeitung Mainz, übermittelt durch news aktuell