Allg. Zeitung Mainz: Im Zirkus / Kommentar zum Anschlag auf den BVB-Bus / Von Christian Matz

Der Prozess um den Bombenanschlag auf den Dortmunder
Mannschaftsbus ist beispiellos in der deutschen Kriminalgeschichte.
Dass ein Täter offenbar den Plan fasst, mit einem Anschlag den
Börsenwert eines Fußballvereins abstürzen zu lassen, um sich daran zu
bereichern – hätte ein Drehbuchschreiber diese Geschichte erfunden,
er wäre als unglaubwürdig abgetan worden. So aber müssen die Richter
in die Gedankenwelt eines mutmaßlich gewitzten, aber
gemeingefährlichen Angeklagten eintauchen, dem vorgeworfen wird, den
Tod von 28 Menschen in Kauf zu nehmen für die vergleichsweise
lächerliche „Gewinnerwartung“ von einer halben Million Euro. Über die
strafrechtliche Bedeutung hinaus hat der Fall noch eine weitere
Dimension: Die Frage nämlich, wie weit wir den Zirkus Profifußball
treiben wollen, und was wir dabei den Artisten in der Manege
abverlangen. Nur einen Tag nach dem Anschlag mussten die Dortmunder
Spieler wieder ran, um das Champions-League-Spiel nachzuholen. Obwohl
sie ganz sicher nicht den Kopf dafür frei hatten. Verständlich wird
diese Entscheidung nur, wenn man die Begleitumstände betrachtet:
Zunächst glaubte man an einen islamistischen Anschlag; es ging darum,
mit der schnellen Neuansetzung auch als Gesellschaft ein Zeichen zu
setzen. Doch mit mehr Abstand, und mit mehr Kenntnis darüber, wie
knapp die Mannschaft dem Tod entgangen ist, muss man zu dem Schluss
kommen: Die Entscheidung war falsch. Die Spieler hätten mehr Zeit
gebraucht, das Erlebte zu verarbeiten, und auch dem Zirkus
Profifußball hätte es gut getan, einmal innezuhalten. So aber kam
wenigstens die Uefa auf ihre Kosten – welche psychischen Spätfolgen
die Spieler davontragen, spielt in dieser Rechnung nur eine
untergeordnete Rolle.

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