Allg. Zeitung Mainz: Leben im Leid / Kommentar von Christian Knatz zum Urteil zu lebensverlängernden Maßnahmen

An grundsätzlicher Bedeutung sind diese Sätze des
Bundesgerichtshofs nicht zu überbieten: „Das menschliche Leben ist
ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil
über seinen Wert steht keinem Dritten zu.“ Auf den Fall eines mit
künstlicher Ernährung am leidvollen Leben erhaltenen Patienten
bezogen, wirkt die Entscheidung erbarmungslos. Doch sie weist
rechtsgeschichtlich und rechtssytematisch weit über den tragischen
Einzelfall hinaus. Aus gutem Grund stellten die Autoren des
Grundgesetzes den Wert des Lebens an die einsame Spitze – nur Jahre
nach dem Ende einer Diktatur, die sich angemaßt hatte, unwertes Leben
zu definieren und zu beenden. Auf der Grundlage des christlichen
Menschenbilds wurden Existenz und Würde des Menschen dem staatlichen
Zugriff entzogen. Das gilt erst recht, wenn das laut BGH
„höchstrangige Rechtsgut“ Leben mit der Vertretung minderer
Interessen angefochten wird. Es wäre ein Fanal, Lebensverlängerung
mit Schadenersatz zu bestrafen und damit das Leben unter bestimmten
Umständen zum Schaden zu erklären. Um daraus abgeleitete Ansprüche
geht es im aktuellen Urteil, nicht um die Ideologie, Leben um
wirklich jeden Preis zu verlängern. Nicht einmal die katholische
Kirche verfechtet den Zwang, weiterleben zu müssen. Damit ist das
Urteil zugleich ein Plädoyer dafür, beizeiten mittels einer
Patientenverfügung zu bestimmen, in Würde zu sterben. Denn eine
Verlängerung des Lebens gegen den Willen des Patienten ist nicht
erlaubt. Ihm aber bleibt es überlassen, diese letzte Entscheidung zu
treffen. Ein Gericht darf das mit Recht nicht.

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