Wohlfeile Warnungen vor Extremismus und Hass,
Mahnungen zu mehr Toleranz und Miteinander – zum 25. Jahrestag des
Brandanschlags von Solingen sind viele richtige, aber nicht immer
auch ganz ehrliche Sätze gefallen. Denn zum Gedenken gehört auch die
realistische Einschätzung, dass sich das gesellschaftliche Klima, das
eines der schlimmsten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte
mit begünstigte, seither verschlechtert hat. Der Hass geht heute
viral, er zeigt sich immer öfter im Alltag – verbal und körperlich.
Und auch im deutsch-türkischen Verhältnis gab es kein Zusammenrücken
im Angesicht der Katastrophe, gibt es heute kein „mehr Miteinander“,
sondern beidseitiges Unverständnis, Sprachlosigkeit, Frontenbildung.
Ein Klima, in dem ein Fototermin zweier deutsch-türkischer
Fußballprofis leicht zum Beweis einer gescheiterten Integration
gerät. Man darf, wenn man Populismus und Hetze kritisieren will, aber
nicht nur auf die AfD zeigen. Wie vor 25 Jahren sind es auch diesmal
Vertreter der regierenden Parteien, die sich ein
Radikalisierungsrennen liefern. Innenminister Seehofer etwa, der im
Gedenken an Solingen ein „Zusammenstehen“ für „das friedliche und
vielfältige Zusammenleben in unserer Gesellschaft“ fordert. Jener
Innenminister, der mit seinem ebenso ausgrenzend gemeinten wie
ausgrenzend verstandenen Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“
Millionen Muslimen solch ein „vielfältiges Zusammenleben“ verwehren
will. Dagegen aufrichtig zu bewundern, damals wie heute, ist das
weibliche Oberhaupt der Opferfamilie, Mevlüde Genc: Ihr Aufruf zu
Versöhnung und Freundschaft ist ein beispielgebendes Zeichen
menschlicher Größe. Unabhängig von Nationalität oder
Religionszugehörigkeit.
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