Allg. Zeitung Mainz: Unerbittlich / Kommentar zu Hitzlsperger

Respekt und Sympathie strömen Thomas Hitzlsperger
nun entgegen. Die meisten Absender meinen das gewiss ehrlich. Und
doch ist da auch ein enormes Maß an Heuchelei und Verlogenheit
unterwegs. Das Coming-out des Ex-Nationalspielers ist sicher ein
ermutigendes Zeichen für andere, die erwägen, sich zu outen. Dass er
den Schritt aber erst nach seinem Karriere-Ende wagte – „wagen“ ist
da der zutreffende und symptomatische Begriff – kennzeichnet die
Problematik. In Deutschland ist Männerfußball von der ersten bis zur
untersten Liga eine Gesellschaft, die auf so unerbittliche Weise
geschlossen ist wie sonst keine im sozialen, wirtschaftlichen oder
politischen Leben. Ein schwuler Bundeskanzler oder eine lesbische
Bundespräsidentin sind vorstellbar. Ein schwuler Kapitän der
Männernationalmannschaft bislang nicht, zumindest nicht im
Bewusstsein der meisten, die sich Fans nennen. „Wir leben im Großen
und Ganzen im Respekt voreinander, unabhängig davon, ob der Mitmensch
Männer oder Frauen liebt“, sagt Regierungssprecher Seibert. Eben: „Im
Großen und Ganzen“. Aber es gibt Details in Deutschland – auch in
anderen Ländern der Welt – da herrscht die blanke Intoleranz. Und im
Männerfußball gibt es, alles in allem, Null Toleranz gegenüber
Schwulen. Da bricht nicht in allen, aber in sehr vielen, für die ihre
Existenz als Fußballfan ein sehr wichtiger Teil ihrer gesamten
Existenz ist, zeitweise etwas Neandertalerhaftes durch. Das Phänomen
„Masse“ tut ein Übriges. In einer Menge von 80 000 fühlt sich jeder
einzelne so stark wie 80 000 zusammen. Das kann positiv berauschend
sein, aber auch explosiv. In der Entwicklungsgeschichte des Homo
sapiens ist noch viel Luft nach oben.

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