Allg. Zeitung Mainz: Zerreißprobe / Kommentar zur SPD / Von Frank Schmidt-Wyk

Auf Schlingerkurs steuert der alte Dampfer SPD in
Koalitionsverhandlungen mit der Union und in eine ungewisse Zukunft.
Auf der Brücke: ein – erstmal – relativ standfester Kapitän Martin
Schulz. Zu verdanken hat er das achtbare Wahlergebnis seiner
Fähigkeit, die Partei emotional zu berühren – auch wenn er dabei auf
schmalem Grat zwischen Selbstkritik und Selbstmitleid wandelte. Das
größte Problem der SPD sei, so Schulz, dass sie ihr klares Profil
verloren habe; Politiker würden nur noch als Teil des Establishments
wahrgenommen. Eine bemerkenswerte Analyse einen Tag nachdem bekannt
wurde, dass zwei abgewählte sozialdemokratische Ministerpräsidenten
in beinahe fliegendem Wechsel lukrative Posten in der Wirtschaft
beziehen: Torsten Albig geht als Lobbyist nach Brüssel, Hannelore
Kraft wird Mitglied im Aufsichtsrat eines Steinkohlekonzerns. Und
Schulz? Was hat er bislang zur Schärfung des Profils seiner Partei
beigetragen? Im Wahlkampf wollte er als Kämpfer für soziale
Gerechtigkeit auftrumpfen, schlüpfte in die Rolle des
Agenda-Reformators – um dann, als die Umfragewerte einbrachen, auf
dem Dortmunder Parteitag ausgerechnet Altkanzler Gerhard Schröder als
Motivator auf die Bühne zu bitten. Den Schröder, der kurz darauf beim
russischen Ölkonzern Rosneft anheuerte. Nach der Wahl trieb Schulz
die SPD in der Frage der Regierungsbeteiligung unnötig in eine
Zerreißprobe. Die ist jetzt überstanden, vorläufig, doch selbst
mancher Genosse fragt sich: Wofür steht die SPD eigentlich? Einer
Partei, der es an innerer Überzeugung fehlt, fehlt es auch an
Überzeugungskraft – ein schwerwiegendes Manko, in anstehenden
Koalitionsverhandlungen ebenso wie in künftigen Wahlen.

Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Wolfgang Bürkle
Newsmanager
Telefon: 06131/485980
online@vrm.de

Original-Content von: Allgemeine Zeitung Mainz, übermittelt durch news aktuell