Man mag jede Stärkung der Verbraucherrechte
begrüßen. So ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu
Entschädigungen bei Verspätungen der Bahn erfreulich weitreichend –
und doch völlig unstimmig. Das fängt beim schlichten
Sprachverständnis an. Der Begriff der höheren Gewalt beschreibt ja
gerade die Ursache für eine Panne, die sich der Gewalt des Anbieters
oder Vertragspartners entzieht. Wenn der Europäische Gerichtshof die
Fälle von höherer Gewalt begrenzt hätte, wäre dies noch
nachvollziehbar gewesen. So ist etwa nicht einzusehen, wenn der
Fahrgast die Folgen von Tarifauseinandersetzungen zu tragen hat.
Deren Wesen liegt ja gerade darin, dass der Schaden, der dem
Arbeitgeber durch einen Streik entsteht, legitimes Druckmittel der
Arbeitnehmerseite ist. Wenn der EuGH aber an die Bahngesellschaften
in Europa höhere Maßstäbe anlegt als an Flug-, Schiffs- und
Busgesellschaften, dann ist das ein juristischer Treppenwitz. Worin
soll denn bitte schön der qualitative Unterschied liegen, wenn sich
ein Flugzeug wegen Vogelschlags verspätet oder eine Bahn wegen
vereister Gleise? Für den Verbraucher ist die Entscheidung zudem ein
Pyrrhussieg, da sich die Bahn die höheren Erstattungen im Zweifel
über Preiserhöhungen wieder hereinholt. Wer einen verlässlicheren
Zugverkehr will, der muss vor allem dafür sorgen, dass die Bahn AG
ihre Netze angemessen ausstattet und betreibt. Dafür muss man nicht
einmal die Steuern erhöhen. Der Bund braucht bei den anstehenden
Koalitionsverhandlungen nur darauf zu verzichten, jährlich eine halbe
Milliarde Euro aus dem Netzbetrieb zu ziehen. Aber das ist schon
wieder ein ganz anderes Thema.
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Florian Giezewski
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