ARD-Magazin MONITOR: Ersatzfreiheitsstrafen kosten deutschlandweit rund 200 Millionen Euro; deutlicher Anstieg der belegten Haftplätze

Monatelange Haft wegen Schwarzfahrens: Die Zahl der
durch sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen belegten Haftplätze ist in
Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um fast 25 Prozent
gestiegen und verursacht pro Jahr Kosten von mehr als 200 Millionen
Euro. Das berichtet das ARD-Magazin MONITOR (Donnerstag, 21:45 Uhr,
Das Erste) unter Berufung auf offizielle Statistiken und eine Umfrage
unter den Bundesländern.

Ersatzfreiheitsstrafen sind Haftstrafen, die Menschen antreten
müssen, wenn sie eine verhängte Geldstrafe nicht bezahlen. Sie sind
in Deutschland umstritten, weil sie überwiegend Nicht- oder
Geringverdiener treffen, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können.
Bei den Straftaten handelt es häufig um Delikte wie Schwarzfahren,
kleinere Diebstähle oder Fahren ohne Führerschein. Im
Bundesdurchschnitt belegen Menschen mit Ersatzfreiheitsstrafe
inzwischen rund 10 Prozent der regulären Haftplätze. Allein in Bayern
stieg die Zahl um 65 Prozent. Genaue Daten dazu gibt es nicht, da die
Zahlen nur an drei Stichtagen im Jahr erhoben werden.

Experten kritisieren den Anstieg und die hohen Kosten bei den
Ersatzfreiheitsstrafen: „Es ist skandalös, so viel Geld zu verwenden,
um Menschen aufgrund von Armut und einem Mangel an sozialen
Kompetenzen wegen kleinerer Delikte wegzusperren“, so Heinz Cornel,
Professor für Jugendrecht, Strafrecht und Kriminologie an der Alice
Salomon Hochschule Berlin. Statt Strafe bräuchten die Betroffenen
Hilfsangebote, sagt auch Nicole Bögelein vom Institut für
Kriminologie der Universität Köln: „Die Betroffenen haben oft
multiple Probleme wie hohe Verschuldung, Suchtbelastung und sehr
ungeregelte Lebenssituationen bis hin zur Obdachlosigkeit.“
Grundsätzlich kann eine Haft abgewendet werden, etwa indem man sich
um gemeinnützige Arbeit bemüht. Damit seien solche Personen aber
regelmäßig überfordert. Durch die Haft werde die Situation der
Betroffenen häufig sogar noch verschlechtert, zum Beispiel durch
soziale Isolierung, den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung.

Experten wie Bögelein und Cornel fordern daher, auf
Ersatzfreiheitsstrafen als Sanktionsinstrument zu verzichten. Die
Ursachen des Problems seien vor allem sozialpolitischer Natur. Die
Bundesregierung lehnt eine Abschaffung hingegen ab: „Die
Ersatzfreiheitsstrafe stellt auch bei Delikten der leichteren und
mittleren Intensität ein unerlässliches Mittel zur Durchsetzung der
Geldstrafe dar“ argumentiert das Justizministerium. Aktuell befasst
sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Thema.

MONITOR läuft am Donnerstag, den 11. Januar 2018, um 21.45 Uhr im
Ersten.

Pressekontakt:
Kristina Bausch
WDR Presse und Information
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