Badische Neueste Nachrichten: Alte Hasen

Was Chuck Hagel und John Kerry miteinander
verbindet, ist nicht zuletzt ein prägender Lebensabschnitt, die
Erfahrung eines opferreichen, sinnlosen Krieges. Beide haben in
Vietnam gedient, Hagel bei den Bodentruppen, Kerry als Kommandeur
eines Schnellboots. Beide sind ernüchtert heimgekehrt aus dem
südostasiatischen Dschungel, dekoriert mit hohen Orden, aber
sämtlicher Illusionen beraubt. Schon deshalb gehören beide zum Lager
der Skeptiker, die nicht gleich in den hurrapatriotischen Chor
einstimmen, wenn eifrige Schreibtischkrieger zum nächsten Abenteuer
trommeln. Es sagt viel über die Außen- und Sicherheitspolitik Barack
Obamas, dass er zwei Vietnamveteranen für zwei Schlüsselposten
nominiert hat, Hagel fürs Pentagon und Kerry fürs State Department.
Gewiss, man kann nicht vorhersagen, welche Krisen das Weiße Haus in
den nächsten vier Jahren zum Handeln zwingen. Nur, von den Reflexen
her wird dies ein Kabinett der Zurückhaltung sein, noch deutlicher
als die erste Regierung Obama. 2009 hatte der Präsident ein Team der
Rivalen gezimmert, getragen von dem Wunsch, es dem großen Abraham
Lincoln gleichzutun und mit Hillary Clinton seine härteste
Widersacherin ins Boot zu holen. Woran er 2013 bastelt, kann man
vielleicht ein Team der Mentoren nennen. Vor allem Hagel zählt zum
Kreis der alten Hasen, die den Jungsenator aus Illinois einst an die
Hand nahmen, als der noch ein Greenhorn in Sachen Weltpolitik war.
Solche Leute neigen nicht zu Schnellschüssen. Ein Eingreifen in
Syrien? Wenn überhaupt, dann nur nach monatelangem Abwägen. Ein
Angriff auf Iran? Was immer der Atomstreit in den nächsten Monaten an
Nervenproben bietet, sowohl der Außen- als auch der
Verteidigungsminister werden jede militärische Option überaus
gründlich auf die Waagschale legen. Beide setzen auf zähes
Verhandeln, so frustrierend es manchmal auch sein mag. Der Abzug aus
Afghanistan ist bereits beschlossen, nur sollte man sich nicht
wundern, wenn er schon eher über die Bühne geht als 2014. Das
Pentagon wird der nächsten Sparrunde nicht ausweichen können. Obama
und seine Lehrmeister: Vielleicht ist es der alte George Bush, an den
die vorsichtige Realpolitik des einst so euphorisch bejubelten
Hoffnungsträgers am ehesten erinnert. Humanitäre Interventionen à la
Bill Clinton sind vorerst Geschichte, erst recht ist es die
Dominotheorie des jungen Bush, der glaubte, mit dem Einmarsch im Irak
eine Welle der Demokratie in Nahost auslösen zu können. Für Obama
sind amerikanische Soldaten keine Missionare, keine Revolutionshelfer
mit Panzern. Er setzt auf den Charme der Bescheidenheit, auf enger
definierte nationale Interessen. Große Sprünge, weiß er nur zu gut,
kann sich ein Land im fiskalischen Dauernotstand auf absehbare Zeit
gar nicht leisten.

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