Badische Neueste Nachrichten: Am Pranger

190 Millionen Euro bringen die Steuerzahler
jedes Jahr für das Bundesamt für Verfassungsschutz auf. Im Gegenzug
dürfen die Bürger erwarten, dass die rund 2 600 Mitarbeiter das tun,
was ihre originäre Aufgabe ist: Die freiheitlich-demokratische
Grundordnung der Bundesrepublik vor ihren Gegnern und Feinden zu
schützen, Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen und vor extremistischen
Bewegungen aller Art zu warnen, unabhängig von deren politischer
Ideologie. Wobei das Dilemma der Verfassungs-hüter offensichtlich
ist: Ist ihre Arbeit erfolgreich, bekommt es keiner mit, gibt es
hingegen Misserfolge, steht sofort die gesamte Behörde am Pranger.
Und für das eklatante Versagen seiner Mitarbeiter muss der Chef
seinen Kopf hinhalten. Nun hat es Heinz Fromm erwischt, nicht der
erste und mit Sicherheit auch nicht der letzte
Verfassungsschutz-Präsident, dem eine Affäre seines Hauses zum
Verhängnis geworden ist. Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte gar
keine andere Wahl als ihn zu entlassen, nachdem bekanntgeworden war,
dass ein Referatsleiter genau acht Tage, nachdem die Thüringer
Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach
Selbstmord begangen hatten, wichtige Akten dem Reißwolf übergab, die
möglicherweise Hinweise zu Hintermännern und Verbindungsleuten der
Zwickauer Mörderbande enthielten. Und, schlimmer noch, als das Fehlen
der Akten bemerkt wurde, gab das Amt falsche Auskünfte über den
Zeitpunkt der Vernichtung. Die Arbeit der parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse in Erfurt wie in Berlin bringt immer
abenteuerliche Details über das eklatante Versagen aller
Sicherheitsbehörden im Falle der Zwickauer Terrorzelle ans Licht.
Obwohl die rechte Szene mit V-Leuten durchdrungen war, tappten
Verfassungsschutzämter und Polizei bis zuletzt im Dunkeln,
eifersüchtig hielten Landesbehörden Informationen zurück, die Ämter
arbeiteten mehr gegeneinander als miteinander und die Länder
verhinderten, dass das BKA eingeschaltet wurde. Und weil alle Kräfte
ausschließlich auf den islamistischen Terrorismus gerichtet waren,
gerieten die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren in den
Hintergrund. Heinz Fromm hat für das Versagen seines Hauses die
Verantwortung übernommen, das ehrt ihn. Und doch ist es mit dem
bloßen Austausch des Präsidenten, der ohnehin im nächsten Jahr in
Pension gegangen wäre, nicht getan. In die Verfassungsschutzämter des
Bundes wie der Länder muss ein neuer Geist einziehen. Verkrustete,
ineffektive Strukturen gehören auf den Prüfstand. Nichts ist fataler
für den Schutz der Verfassung als ein Verfassungsschutz, der selbst
zum Sicherheitsrisiko geworden ist.

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Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
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