Sigmar Gabriel ist dafür bekannt, dass sein
Temperament gelegentlich mit ihm durchgeht – anders lässt sich die
Volte des SPD-Vorsitzenden in der Euro-Frage kaum erklären. Obwohl
die Partei bisher alle Rettungspakete mitgetragen hat und bei weitem
nicht so fanatisch für die Einführung von Eurobonds kämpft wie ihr
französisches Idol François Hollande, bricht Gabriel jetzt eine
Diskussion vom Zaun, die den Sozialdemokraten nur schaden kann.
Inspiriert von einem etwas weltfremden Denkstück dreier Professoren
plädiert er offen wie nie für eine Vergemeinschaftung von Schulden in
der Euro-Zone, für einen Volksentscheid und eine Änderung des
Grundgesetzes. Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist das der sicherste
Weg, sich in Deutschland unbeliebt zu machen. Natürlich können am
Ende eines schmerzhaften Reformprozesses in Ländern wie Griechenland,
Spanien oder Italien Eurobonds irgendwann einmal ein Instrument zur
Finanzierung einer gesunden (!) gemeinsamen Volkswirtschaft sein – im
Moment allerdings erreicht Gabriel mit seinem Vorschlag genau das
Gegenteil. Wenn prosperierende Länder wie Deutschland, die
Niederlande oder Finnland jetzt auch noch ins politische
Rückversicherungsgeschäft einsteigen, nimmt das nur Druck von den
Regierungen in Rom, Madrid oder Athen. Dem ersten Tabubruch, dem
Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank muss
nicht gleich der nächste Tabubruch folgen – die Sozialisierung von
Schulden. Die aufgeregte Diskussion um Gabriels Vorschläge zeigt
allerdings auch, wie hilflos die Politik insgesamt im Umgang mit der
Krise agiert. Pathetischen Bekenntnissen wie denen der Kanzlerin,
alles für den Euro tun zu wollen, folgen keine Taten, zum Beispiel
eine Einschränkung der ausufernden Spekulation mit den sogenannten
Kreditausfallversicherungen. Auf der anderen Seite macht es sich auch
die Opposition sehr bequem, wenn sie erst in staatstragender
Loyalität mit der Koalition stimmt und anschließend kein gutes Haar
an deren Politik lässt. Je länger die Politik jedoch mit sich selbst
beschäftigt ist, umso weniger darf sie sich darüber beschweren, wenn
die EZB die Dinge irgendwann selbst in die Hand nimmt.
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