Badische Neueste Nachrichten: Der neue Held

Er steht als Verlierer bereits fest, egal wie es
kommt, egal was passiert. Scheitern die Liberalen bei den
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai
an der Fünf-Prozent-Hürde, ist ohnehin Philipp Rösler schuld.
Schaffen hingegen Wolfgang Kubicki und Christian Lindner den Sprung
in die Parlamente, dann nicht wegen, sondern trotz Rösler, weil sie
sich von ihm abgesetzt und ihr eigenes Ding gemacht haben, nicht
gegen, wohl aber weitestgehend unabhängig von der Parteispitze.
Philipp Rösler kann es drehen und wenden, wie er mag – wurde der
39-Jährige bei seiner Wahl zum FDP-Chef in Rostock vor genau einem
Jahr noch als Mann der Zukunft gefeiert, dem es gelingen könnte, die
FDP programmatisch zu erneuern, so scheint seine Zeit nach einer
Reihe schwerer Wahlschlappen in den Ländern abgelaufen. Längst liegt
die Partei einem anderen zu Füßen, der den angeschlagenen Liberalen
den erhofften Aufbruch verspricht. Christian Lindner, einst Röslers
Generalsekretär, hat sich rechtzeitig von Bord des sinkenden Schiffes
abgesetzt, um nicht mehr für den Niedergang in Verantwortung gezogen
zu werden. Nun lässt der neue Held der FDP den Noch-Parteichef
reichlich alt aussehen, nicht nur weil er sechs Jahre jünger ist,
sondern weil er im Gegensatz zum Vizekanzler auch ein begnadeter,
mitreißender Redner ist. Seine kämpferische Rede auf dem Karlsruher
Parteitag, mit dem er die Delegierten begeisterte, war mehr als ein
bloßes Grußwort, sie war fast schon eine Bewerbungsrede für den
Parteivorsitz, mit der er Rösler in den Schatten stellte und ihm
zeigte, wie man die Herzen der Basis im Sturm erobert. Wenn die FDP
wieder an sich glaubt, dann wegen Lindner. Bis zu den Landtagswahlen
in Kiel und Düsseldorf hat sich die FDP kollektive Geschlossenheit
verordnet, um es Kubicki und Lindner nicht noch schwerer zu machen
als sie es ohnehin schon haben. Die FDP-Delegierten in der Karlsruher
Messehalle schlossen die Reihen und jubelten Rösler noch einmal zu –
aber nur, um die nächsten drei Wochen ohne größeren Schaden zu
überstehen. Wie es danach aber weitergeht, ist völlig offen. Die
liberale Familie ist immer für Überraschungen gut und hat sich schon
öfters kurz und schmerzlos von ihren Vorsitzenden getrennt. Rösler
sprach in Karlsruhe zwar viel von Freiheit und von Wachstum, wetterte
gegen den schwarz-rot-grünen Einheitsbrei und höhnte über die
Piraten, distanzierte sich von allen anderen Parteien einschließlich
des Koalitionspartners CDU/CSU, und hatte doch keine Antwort auf die
Frage, wie er das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen will.

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